Trump: goods in, friends out.

Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr, scheint uns in harscher Übersetzung die EU-Spitze zu sagen. *1)

Präsident Trumps Verbot aller Reisen in die USA für Nicht-US-Bürger aus dem Schengenraum trifft 26 europäische Länder. *2) Zunächst hatte Trump in seiner “travel ban“-Rede auch alle Fracht in die USA untersagt, was aber von Regierungsbeamten alsbald korrigiert wurde: goods in, friends out.

Das mag die transatlantische Brüskierung wirtschaftlich etwas mildern, menschlich jedoch erst recht kränken. Zumal im US-Wahlkampf auch Repräsentanten der Demokratischen Partei Trumps Reise-Verbot unterstützen.

Die Kritik vieler Fachleute in den USA fasst die LOS ANGELES TIMES zusammen. *3) Trumps “travel ban“:

  • zerhämmerte am folgenden Tag die Finanzmärkte auf beiden Seiten des Atlantik;
  • riss eine neue tiefe Kluft zu den europäischen Verbündeten;
  • führte zu Vorwürfen, Trump heize Fremdenfeindlichkeit an, statt sich ernsthaft zu bemühen, die Ausbreitung des Coronavirus zu stoppen.

Dass die Präsidenten von EU-Kommission und -Rat in der Corona-Krise auf Zusammenarbeit statt des einseitigen, nicht abgestimmten Handelns von Präsident Trump drängen, erscheint daher dringend geboten. Die Vorwürfe von der Leyens und Michels würden den EU-Bürger umso mehr überzeugen, je deutlicher seitens der EU gegenüber der Trump-Administration das Bemühen um “Konsultation“ dokumentiert wäre. Leider findet sich bisher dazu nichts. *1)

So zeigt dieser Konflikt den transatlantisch engagierten EU-Bürgern erneut „den Zerfall des Westlichen Projekts, der gemeinsamen Übereinstimmung, was es bedeutet, Teil des Westens zu sein.“ Aber keineswegs nur auf dem Gebiet der Coronakrise offenbare sich diese “Westlessness“ (Ischinger): *4)

  • Gerade in der EU sehen die  Anhänger der freiheitlichen Definition des “Westens“ im Aufwuchs des Illiberalismus und der Rückkehr zu Nationalismus die Ursache der “spiritual disunity of the West” und dessen Krise im Systemwettbewerb mit autoritären Großmächten. Die USA unter Trump, Polen und Ungarn werden als “westliche“ Protagonisten dieser Abkehr von liberaler Weltoffenheit benannt.
  • Kritiker der EU wiederum betonen, die Europäer seien zwar schnell dabei, die USA zu verurteilen, aber selbst “even more impotent and inward-looking than .. the United States.” Dies zeigten die ergebnislosen innerdeutschen Debatten um eine Sicherheitszone in Nordsyrien oder die mangelnde Fähigkeit der EU, gemeinsam gegenüber der dramatischen Situation in den südlichen Mittelmeeranrainern entwicklungspolitisch zu handeln.

Dass dem demokratischen “Westen“ zumindest im eigenen amerikanisch-europäischen Gebiet der liberal geordnete Zusammenhalt durch die transatlantische Allianz der NATO gelingen möge, ist im globalen Systemwettbewerb zwar zu hoffen, aber eine Führungsrolle der USA derzeit nicht erkennbar.

Umso ermutigender ist eine Stellungnahme aus Großbritannien, das von Trumps “travel ban“ in auffälliger Weise ausgenommen wurde, was sicher Trumps spalterisch gegen die europäische Einigung gerichtete Politik unterstreicht.

Tom Tugendhat, konservativer Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten im britischen Unterhaus, warnte im Kontext der Coronakrise vor Trumps gegen die EU gerichtetes Reiseverbot: *5)

„Wie Länder in Zeiten der Krise zusammenarbeiten, wird auch die Kooperation danach prägen. Dies ist die Stunde für das Vereinigte Königreich, der ganzen Welt, den Verbündeten und den Freunden die Hand zu reichen, um bei abgestimmtem Handeln und gegenseitiger Unterstützung zu helfen.“

Dank für diese “Handreichung“ in krisenhafter Zeit!

*1) „The Coronavirus is a global crisis, not limited to any continent and it requires cooperation rather than unilateral action. The European Union disapproves of the fact that the U.S. decision to impose a travel ban was taken unilaterally and without consultation.“ Joint Statement by President von der Leyen and President Michel on the U.S. travel ban.12-03-2020; https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/STATEMENT_20_449

*2) Darunter die wichtigsten EU-Mitglieder, aber auch Nicht-EU-Länder wie Island, Norwegen und die Schweiz. EU-Mitglieder, die noch nicht zum Schengen-Raum gehören, sind Bulgarien, Irland, Kroatien, Rumänien und Zypern. Auch das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland ist nicht von Trumps 30-tägigem “travel ban“ betroffen. Siehe: Schengen-Raum – Die größte visumfreie Zone der Welt; https://www.schengenvisainfo.com/de/staaten-des-schengen-raums/

*3) Trump travel directive opens new rift with Europe as its leaders blast lack of notice. By CHRISTINA BOYLE, LAURA KING. MARCH 12, 2020; https://www.latimes.com/world-nation/story/2020-03-12/europe-trump-travel-coronavirus

*4) Weitblickend hatte Botschafter Wolfgang Ischinger den geopolitischen Rückzug und die Erosion der westlichen Wertegemeinschaft als Kernthema der Münchner Sicherheitskonferenz Mitte Februar 2020 gestellt. Der von Ischinger geprägte Begriff “Westlessness“ fasst die Zweifel am Projekt des Westens zusammen: Munich Security Report 2020. Westlessness. Wird die Welt weniger westlich? Wird auch der Westen selbst weniger westlich? Was bedeutet der Rückzug des Westens als ordnungspolitischer Akteur? Wie könnte eine westliche Antwort auf wachsende Großmachtrivalitäten aussehen? https://securityconference.org/publikationen/munich-security-report-2020/

*5) Why did Donald Trump exclude the UK from his coronavirus travel ban? President’s restrictions are as arbitrary as 2017 ‘Muslim ban’ – driven by politics, not science. Patrick Wintour. Thu 12 Mar 2020; https://www.theguardian.com/us-news/2020/mar/12/donald-trumps-eu-travel-ban-is-driven-by-politics-not-science-coronavirus. Tom Tugendhat: “How countries work together in moments of crisis will shape how we cooperate after. This is a moment for the UK to reach out around the world to allies and friends to help coordinate action and support.”