Undiplomatische Außenpolitiker.

 Für Regierungen gilt: Den außenpolitischen Rahmen hat die Innenpolitik zu respektieren.

Umgekehrt scheint Vorsicht geboten bei innenpolitisch – vor allem parteipolitisch – motivierten Äußerungen zur Außenpolitik. Bundeskanzler Schröders antiamerikanische Wahlreden 2002 mögen diese Asymmetrie illustrieren.

Internationale Beziehungen sollten nicht auf kleine parteipolitische Münze reduziert werden. Leider scheinen selbst angesehene Außenpolitiker nicht immun gegen solche Falschmünzerei.

Damit sind wir bei Elmar Brok, CDU, dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlamentes.

Willkommen und Abschied – Brok teilt gleich zweimal aus. Gegen die vom Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs 2009 und 2014 gewählten Hohen Vertreterinnen für die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union. Gegen zwei Sozialdemokratinnen – die 2009 gewählte Britin Catherine Ashton und ihre 2014 gewählte italienische Nachfolgerin Federica Mogherini.

Frau Ashton war die erste „EU-Außenbeauftragte“. Dieses Amt des Hohen Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik wurde durch den EU-Reformvertrag von Lissabon, der 2009 in Kraft trat, erheblich aufgewertet. *1) Catherine Ashton wurde damit für folgende Positionen verantwortlich: Vizepräsidentin der EU-Kommission; Vorsitzende im Rat für Auswärtige Beziehungen, den die Außenminister der EU bilden, und Leiterin des Europäischen Auswärtigen Dienstes.

Die Verantwortlichkeit der EU-Außenbeauftragten als „komplex“ zu bezeichnen, wäre ausgeprägt britisches „understatement“: Einerseits ist sie „an das Mandat der Mitgliedstaaten, deren Domäne die Außenpolitik weiterhin ist, gebunden.“ (*1c). Andererseits soll sie „in Zusammenspiel mit dem Rat für ein einheitliches, kohärentes und wirksames Außenhandeln der Union“ sorgen (*1b).

Bestimmen kann die „Hohe Repräsentantin“ in der „Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU (GASP)“ gar nichts. Sie kann „nur versuchen, eine gemeinsame Position herbeizuführen“ (*1c). Was mag dies bedeuten? Unter den „Rahmenbedingungen europäischer Außenpolitik, die komplizierter sind als in einem Nationalstaat“? (*1c).

Sicher nur: geduldiges Werben um Vertrauen und Moderieren von widerstreitenden außenpolitischen Interessen der 28 EU-Mitgliedsstaaten. Diese Aufgabe hat Catherine Ashton hervorragend bewältigt.

Elmar Brok, CDU-MdEP, sieht das offenbar anders. *2).

„Brok droht mit Ablehnung von ´schwachem` EU-Außenbeauftragten“, lasen wir. Abschied von Catherine Ashton und Willkommen für Federica Mogherini – Brok tritt nach und teilt aus, gleichzeitig! Gegen zwei verdiente Sozialdemokratinnen.

Angesichts der oben referierten Rahmenbedingungen europäischer Außenpolitik – bleiben wir bei britischem Understatement – erscheint diese Initiative Elmar Broks zumindest „undiplomatisch“ und sachlich verfehlt.

Brok in Richtung EU-Rat der Staats- und Regierungschefs: „Wir sind nicht bereit, einen neuen EU-Außenbeauftragten zu akzeptieren, der nicht über das notwendige Durchsetzungsvermögen, Kompetenz und internationales Ansehen verfügt“. Und Elmar Brok verlangte vom EU-Rat „einen neuen Amtsinhaber, der die Schwächen der europäischen Außenpolitik energisch angeht und einen klaren Kurs vorgibt.“ *2)

Hier wird begrüßt, dass der EU-Rat der Staats- und Regierungschefs diese Anmaßung Broks ignoriert und Frau Mogherini, deren Erfahrung Brok bezweifelt hatte, als Nachfolgerin von Catherine Ashton berufen hat.

Deshalb zunächst ein „Thank you, Baroness Catherine Ashton of Upholland“. Dies hat Catherine Ashton von europäischen Bürgern verdient! Dazu einige anerkennende Würdigungen zu europäischen Verdiensten Frau Ashtons.

Regierungsvereinbarung Serbien-Kosovo: In 10 Verhandlungsrunden mit den Premierministern Serbiens, Ivica Dacic, und Kosovos, Hashim Thaci, sei es dank der Mediation durch Catherine Ashton gelungen, die bilateralen Beziehungen so zu normalisieren, dass ein EU-Beitritt zur konkreten Perspekive werden kann. Parteiübergreifend hat das House of Representatives der USA Catherine Ashton und ihre Verhandlungspartner, Premierminister Dacic und Thaci, für den Friedensnobelpreis nominiert. Dieser ehrenden Geste folgte die Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament. *3).

Interimvereinbarung zum Nuklearprogramm des Iran von November 2013: Zunächst habe der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif nur mit Außenministern ohne Frau Ashton verhandeln wollen. Diese Einstellung habe er bald korrigiert. Schließlich wollte er sogar nur noch mit Baroness Ashton reden. Auch China und Russland hätten Vertrauen in Frau Ashtons Verhandlungsführung gezeigt. Ein hochrangiger französischer Diplomat über Catherine Ashton: „Ich ziehe meinen Hut vor ihr. Sie spielte eine wahrhaft entscheidende Rolle.“ *3).

Dies könnte genügen, um die Äußerungen Elmar Broks qualitativ „einzuordnen“. Wenn er nicht durch seine Herablassung gegenüber Ashton und Mogherini Schaden angerichtet hätte. Der Schaden Brok’scher Anmaßung kann unter zwei Gesichtspunkten bilanziert werden: Falsche Vorstellungen über die Akteure europäischer Gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) in der Öffentlichkeit und negative Effekte auf das Deutschlandbild in Europa.

Brok hat den Eindruck erweckt, es käme beim EU-Außenbeauftragten auf „Stärke, Durchsetzungskraft, klare Kursvorgabe“ an. Damit zeichnet Brok uns ein völlig irreales Bild über die Funktionsweise der EU-GASP. Gerade wegen der komplizierten Entscheidungsprozesse in der GASP, die von wechselnden Koalitionen jeweils besonders interessierter Mitgliedsstaaten dominiert wird. Dies illustriert das Beispiel der Außenminister des „Weimarer Dreiecks“ (Deutschland, Frankreich, Polen), die vergeblich und von Skepsis begleitet mit dem ukrainischen Janukowitsch-Regime verhandelten, um maßvollen Umgang mit dem Euro-Maidan-Protest zu erreichen.

Die Gefahr der von Elmar Brok geweckten Illusion, dass die europäische Gemeinsame Außenpolitik Probleme „energisch angeht und einen klaren Kurs vorgibt“ *2), ist offensichtlich: Die so geformten Erwartungen der Bürger werden nicht selten enttäuscht werden. Und der EU-Skeptizismus greift dann weiter um sich. Die Wahlerfolge der AfD sind Indiz für diese Gefahr.

Elmar Brok hat vielleicht unterschätzt, dass die Presse für solche von ihm verantwortete Fehlorientierung von Bürgern empfänglich sein und sie verstärken könnte.

So lesen wir Absurditäten, die von Brok bedient wurden, wie z.B.: Ashton habe es trotz wichtiger Teilerfolge nicht geschafft, „der europäischen Außenpolitik strategische Überzeugungen, eine gemeinsame Linie und Durchschlagskraft zu verleihen.“ *4) Und solche Wahrnehmung gipfelt in dem Ruf: „Wir brauchen endlich Charismatiker in Brüssel!“ *5).

Ferner verwundert, dass zwei Außenpolitiker des Deutschen Bundestags sich zur Sicherheitspolitik mit der „gemeinsamen“ Überzeugung im TV vernehmen lassen: „Gut, dass Rasmussen weg ist. Der hat nur auf Militär gesetzt. Stoltenberg wird es besser machen.“ So Niels Annen, SPD-MdB, im Gespräch mit Stefan Liebich, LINKE-MdB. Am Mittwoch, 10. September 2014. *6).

Es mag ja sein, dass der dänische NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen Herrn Annen und Herrn Liebich nicht gefällt. Damit wird der liberal-konservative Staatsmann Rasmussen leben können. Aber die anbiederische Art Niels Annens gegenüber dem künftigen Generalsekretär der NATO, dem norwegischen Sozialdemokraten Jens Stoltenberg, wird diesem Staatsmann sicher nicht gefallen.

Wollen unsere „undiplomatischen“ Außenpolitiker – Elmar Brok und Niels Annen – auf diese Weise um Freunde in Europa werben? Wir europabewussten Bürger wollen solche Auftritte unserer Außenpolitiker nicht, weil sie das ohnehin fragile Deutschlandbild in Europa beschädigen.

Wir wollen auch keine „starken Kurs-Bestimmer mit Durchschlagskraft“ als Hohe Beauftragte der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Schon gar keine „Charismatiker“, diese Forderung verrät subalterne Sehnsüchte aus deutscher Vergangenheit.

Wir wollen stabile europäische Institutionen. Und als EU-Außenbeauftragte für die GASP wünschen wir behutsame Moderatoren mit einem europäischen Verhandlungsstil, wie ihn Frau Ashton vorgelebt und geprägt hat.

Thank you, Baroness Catherine Ashton of Upholland! Benvenuto, Signora Ministro Federica Mogherini!

*1) Vgl. die Artikel a) „Vertrag von Lissabon“ und b) „Die Akteure der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU (GASP)“, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Europa/. Sowie: c) Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik, Eckart D. Stratenschulte, 1.4.2014; http://www.bpb.de/internationales/europa/europaeische-union/42968/.

*2) Brok droht mit Ablehnung von „schwachem“ EU-Außenbeauftragten. DTS-Meldung vom 30.08.2014, 01:00 Uhr.

*3) Catherine Ashton. From Wikipedia, the free encyclopedia.

*4) Der neue EU-Chefdiplomat? Wählt Steinmeier! Von Christoph B. Schiltz; welt.de, 19.08.2014. (Ein Bärendienst für Außenminister Steinmeier? Der überdies in Deutschland unentbehrlich ist. RS).

*5) Wir brauchen endlich Charismatiker in Brüssel! Von Silke Mülherr, Außenpolitik-Redakteurin, 17.07.2014, welt.de. (Würde Joschka Fischer solchen Sehnsüchten entsprechen wollen? RS).

*6) Phönix-TV. Moderiert von Ines Arland.