Unsere „Dienste“.

Der „NSA-Skandal“ wächst sich nach den Enthüllungen des Guardian und des Wall Street Journal zu einem Krimi aus – mit durchaus komischen Zügen.

Kern dieser Berichte ist:

„Dass die schlechte NSA und die bösartigen USA die einzigen wären, die derart grob die internationalen Spielregeln verletzten, ist ein Märchen … Es stimmte nie. Das Verhalten der USA war nicht außerhalb der Regeln. Es ist die Regel.“ *1)

Ferner berichtet das WSJ, dass die von den europäischen Quellen zitierten Informationen „nicht von der NSA, sondern von ihren europäischen Partnern erhoben wurden.“ *1)

Im Guardian erfahren wir von großer Bewunderung für die technischen Möglichkeiten, über die der Bundesnachrichtendienst (BND) verfüge, um die Telekommunikation zu überwachen. Und „dass die britischen Nachrichtendienste ihren deutschen Partnern halfen, die Gesetze zu ändern oder zu umgehen, die deren Fähigkeit einschränkte, diese hochentwickelte Überwachungstechnologie zu nutzen.“ *2)

Und zu der ganzen künstlichen Aufregung erleben wir noch den Rummel um die auswärtige Mission des selbsternannten Geheimdiplomaten Ströbele, MdB, zu Herrn Snowden in Moskau. „Was für eine grandiose Polit-Show von Hans-Christian Ströbele!“ (THÜRINGISCHE LANDESZEITUNG). *3)

Ohne Frage hat sich Herr Ströbele in Deutschland Narrenfreiheit erarbeitet. In anderen westlichen Partnerländern würde man ihn als „caballo loco“ oder „crazy horse“ titulieren.

In diese Nähe begibt sich nun auch noch der ehemalige Abgeordnete des Deutschen Bundestags Dieter Wiefelspütz, SPD. Der erklärte am 1.11.2013 im Deutschlandfunk, für ihn sei Snowden „ein Held der Freiheit“. Diese Meinung zu äußern, ist sein gutes Recht. Gleichwohl mag dies anderen Bürgern unsäglich albern erscheinen.

Die FAZ berichtet von einer durchaus verantwortlichen Reaktion in der Debatte um eine Einladung Snowdens nach Deutschland: Nämlich mit dem „SPD-Innenpolitiker Thomas Oppermann zu fragen, was denn nun eigentlich wichtiger sei: die Straffreiheit Edward Snowdens oder der endgültige Ruin der deutsch-amerikanischen Beziehungen? Die Antwort fällt nur demjenigen schwer, den seine Heldenverehrung blind macht für das Abwägen von Interessen.“ *3).

Das ist endlich eine Stimme der Vernunft aus der Sozialdemokratie. Aber geht es hier wirklich nur um Abwägung von außenpolitischen Interessen?

Wir haben unsere Nachrichtendienste, damit sie Entscheidungsträger informieren, uns vor Feinden und Terror schützen und beitragen, unseren Rechtsstaat und unsere Freiheit zu verteidigen.

Wollen wir Staatsbürger, dass solche Beamte sich nach eigenem Gutdünken ins Ausland abseilen? Aus der „Heldenverehrung“ für Snowden am Ende das Recht ableiten, geheime Dokumente oder Erkenntnisse an die Presse oder in interessierte unbefugte Hände zu geben? Dass vereidigte und zur Verschwiegenheit im Umgang mit geheimen Informationen verpflichtete Beamte sich als „whistleblower“ das Recht nehmen, solche Unterlagen zu entwenden und ins Ausland zu verbringen?

Hier droht der Verlust von Maßstäben der Vernunft! Und nach solchen Maßstäben ist Snowden des Geheimnisverrats und schwerstwiegender Pflichtverletzung verdächtig. Er sollte dem US-Justizministerium überstellt werden, sobald er deutschen Boden betritt. Und nicht als Freiheitsheld gefeiert werden, wie es bei weitem nicht nur Wiefelspütz betreibt. Ist denn die Verrücktheit von Herrn Ströbele und Gleichgesinnten bereits ansteckend geworden?

Gegenüber dem Missbrauch von Sonderrechten unserer Beamten der „Dienste“ wollen wir Bürger den staatlichen und gesetzlichen „checks and balances“ vertrauen können: dem Auftrag der Dienste und seinen Grenzen, dem Berufsethos, der Kontrolle durch Vorgesetzte, den zuständigen Gerichten bis hin zum Parlamentarischen Kontrollgremium des Deutschen Bundestags. Andernfalls sind die Kontrollen gegen und die Sanktionen bei Missbrauch zu verschärfen.

In einer Zeit schwerwiegender globaler Gefahren müssen die Nachrichtendienste international effektiv zusammenarbeiten. Und nicht den Stoff für Heuchelei und Skandalgeschrei in Medien liefern. Das sollte eine Lehre aus der jüngsten Entgleisung im Umgang mit dem Handy der Bundeskanzlerin sein.

Graham Greene hat solche Entgleisungen und ihre mögliche Ursache anhand der britischen Dienste MI5 (Inland) und MI6 (Ausland) im Roman illustriert.

„´Rivalität`, sagte C., als er die Konferenz eröffnete, ´ist bis zu einem gewissen Grad eine gesunde Sache. Aber manchmal hat sich Mangel an Vertrauen eingestellt … manchmal haben wir denselben Mann Spion und Gegenspion spielen lassen.`“ *4)

Wir erleben es immer wieder: Die Realität übertrifft bei weitem die Phantasie der Literatur.

*1) Europeans Shared Spy Data With U.S. By ADAM ENTOUS and SIOBHAN GORMAN, Updated Oct. 29, 2013 7:31 p.m. ET, wsj.com. So James Lewis, ehem. Beamter des US-State Department, heute Spezialist für Technologie-Politik des Center for Strategic and International Studies. (Übers. RS).

*2) GCHQ and European spy agencies worked together on mass surveillance, Julian Borger, The Guardian, Friday 1 November 2013. (Übers. RS).

*3) Deutschlandradio Presseschau 2.11.13.

*4) Graham Greene, Der menschliche Faktor, Roman, Wien, Hamburg, 1978, S. 97.