Unsinnige Loyalitätsforderung.

Die Bundesanwaltschaft hat Ermittlungen und Durchsuchungen bei der “Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e. V.“ (Ditib) *1) vorgenommen.

Der Dachverband Ditib ist ein „Eingetragener Verein“, der 1984 für „gemeinnützige religiöse, wohltätige, kulturelle und sportliche Zwecke“ gegründet wurde. Ditib gehören nach eigenen Angaben heute über 900 rechtlich und wirtschaftlich selbständige eingetragene Moschee-Vereine auf örtlicher Ebene an.

Die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen Ditib-„Geistliche“ untersuchen den Verdacht auf „Geheimdienstliche Agententätigkeit“ für den Geheimdienst einer fremden Macht (hier: Republik Türkei). In Deutschland lebende Menschen würden als Anhänger und Unterstützer des islamischen Predigers Fethullah Gülen und des angeblich von ihm betriebenen Militärputsches gegen die Erdogan-Regierung denunziert. Bei einer Reise in die Türkei könnte Verhaftung drohen.

Das deutsche Strafgesetzbuch hat in dem „2. Abschnitt — Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit“ im § 99 für „Geheimdienstliche Agententätigkeit“ je nach Schwere des Falles Freiheitsstrafen oder Geldstrafen vorgesehen.

Gestern Abend fragte der Moderator Christian Sievers im „Heute Journal“ des ZDF im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen Ditib, „wo eigentlich ihre Loyalität liegt, in Deutschland oder in der Türkei?“ *2)

Gerade weil Herr Sievers ein zu Recht sehr angesehener Journalist und TV-Moderator ist, mag ihm hier widersprochen werden.

Die Frage nach dem Land, in dem „die Loyalität liege“, ist in der Zeit der Globalisierung zunehmend unsinnig. Das gilt erst recht für auf „ein Land“ bezogene Forderung von Loyalität.

Wir leben heute in ausgeprägten Einwanderungsgesellschaften, in denen Menschen unterschiedlicher Staatsangehörigkeit wirtschaftlich als Unternehmer, Selbständiger oder Arbeitnehmer tätig sind. Mit dem Instrument des „Doppelpasses“, der mehrere Staatsbürgerschaften ermöglicht, kann diese grenzüberschreitende Aktivität sinnvoll erleichtert werden.

Zu Recht würde sich die türkischstämmige Gartenbauunternehmerin, nennen wir sie Ayşe Kiritoğlu, die über einen deutsch-türkischen Doppelpass verfüge, die törichte Frage verbitten, „wo eigentlich ihre Loyalität liegt, in Deutschland oder in der Türkei?“ (Moderator Christian Sievers). Die ebenso tüchtige wie vernünftige Unternehmerin wird vermutlich, wie wir alle, ihrer Familie, Freunden, Geschäftspartnern gegenüber Loyalität empfinden.

Es reicht in der globalisierten Welt vollständig aus, wenn Menschen, die in einem Land rechtmäßig leben und arbeiten, dessen Gesetze beachten. Dann sind sie uns als Mitbürger willkommen — Loyalität hin oder her.

Im Falle Ditib sind Loyalitätsforderungen ebenso sinnlos wie scheinbar wohlmeinende Mahnungen des Justizministers Maas oder anderer Politiker. Die deutschen Gesetze sind anzuwenden, und die Finanzminister der Bundesländer können dem Verein Ditib den Status der Gemeinnützigkeit entziehen.

*1) http://www.ditib.de/default1.php?id=5&sid=8&lang=de. S. auch die“Grundsätze“ von Ditib.

*2) https://www.zdf.de/nachrichten/heute-journal/170215-hjo-100.html