USA: Oligarchie statt Demokratie?

Präsident Joe Biden hatte in seiner Abschiedsrede an die Nation gewarnt: 

In den USA forme sich eine Oligarchie von politischer Macht, extremem Reichtum und Einfluss, die „unsere gesamte Demokratie, unsere Grundrechte und Freiheiten sowie faire Aufstiegschancen für jeden bedroht.“ *1) 

1. Oligarchie und  politische Macht.

Professor Robert Reich *2) teilt Präsident Bidens Warnung. Reich lehnt die weltweit verbreitete Einschätzung ab, Trump stehe für konservativen Populismus: Trumps politische Einstellung sei weder konservativ, was Erhalt von Institutionen mit reduzierter Größe der Regierung bedeute. Auch mit Populismus habe Trump nichts zu tun, da dessen Merkmal der Widerstand gegen Eliten sei. *3)

Vielmehr führe Trump eine Bewegung an, um statt der traditionellen US-Demokratie eine Oligarchie als Herrschaftsform in den USA zu verankern. Mit der Unterstützung reichster Unternehmer würden Demokratie und US-Regierung in eine Art Unternehmensform unter Kontrolle der größten Technik-Unternehmer überführt. Trump wolle diese Oligarchie durch eine politische Spaltung der Wählerschaft mittels kontrovers beurteilter Themen wie Migration, LGBTQ-Rechte, Abtreibung usw. dauerhaft zementieren. *3) 

Der Abbau der Demokratie solle — dem Modell des Stadtstaates Singapur als Beispiel für ein erfolgreiches autoritäres Regime folgend — in drei Schritten vollzogen werden, die Reich dem Computer-Ingenieur Curtis Yarvin als Ideengeber zuschreibt: *3)

  • 1. Schritt: Entlassung des derzeitigen Regierungspersonals zugunsten von  Trump-Anhängern.
  • 2. Schritt: Das von E. Musk und V. Ramaswamy in Trumps Auftrag geleitete “Department of Government Efficiency (DOGE)“ solle den Umbau der Regierung in ein von politisch-unternehmerischer Oligarchie kontrolliertes Regierungssystem vorbereiten.
  • 3. Schritt: Die Federal Reserve System-Zentralbank (FED) kontrolliert bisher die Stabilität des US-Dollars. Diese unabhängige Kontrollinstanz für Finanzstabilität der Demokratie solle diese Funktion verlieren. Durch eine Kryptowährung als Ersatz für den US-Dollar fiele die Finanzkontrolle der USA unter den Einfluss der Oligarchen, von denen die Kryptowährung ausgegeben werde, weil sie die notwendigen Rechenzentren bereitstellen können, mit denen Transaktionen in Kryptowährung verarbeitet werden. 

In den Medien werden häufig die folgenden Milliardäre als “Oligarchen“ in Verbindung mit ihren unternehmerischen Interessen genannt. Diesen werde maßgeblicher Einfluss auf die Trump-Regierung zugeschrieben: 

Elon Musk (SpaceX,Tesla, X, vormals Twitter), Vivek Ramaswamy (Investor Biotech, Pharma), Jeff Bezos (Amazon), Mark Zuckerberg (Meta, Facebook, Instagram), Peter Thiel (PayPal), David Sacks (Kryptowährung), Sundar Pichai (Alphabet Inc., Google). Auch der Einfluss der Wirtschaftelite auf die US-Medien wird als problematisch thematisiert: Jeff Bezos (Washington Post), Patrick Soon-Shiong (Los Angeles Times) und Disney (ABC News). *1)

 Thiel und Musk sollen Trump empfohlen haben, als Vizepräsidenten James D. Vance zu benennen, mutmaßlich um über Trumps letzte Amtszeit hinausgehende politische Kontinuität zu ermöglichen. *3)

Auch von Wissenschaftlern werden die Sorgen um den Bestand der amerikanischen Demokratie durch Vermachtungstendenzen analysiert: *1)

  • Daniel Kindermann (University of Delaware) sieht in der Ungleichheit von Einkommen und Vermögen “oligarchische“ Bedingungen. Außerdem übe die unternehmerische Oligarchie „die Kontrolle über Medien und Technologie aus.“ 
  • Jonathan Hanson (University of Michigan’s Gerald R. Ford School of Public Policy) kritisiert die Ernennung von Musk und Ramaswamy für die Leitung des Department of Government Efficiency: Dies geht über Einfluss hinaus, dies ist enge Kontrolle über die Regierungsführung durch Personen, die nicht gewählt wurden. 

2. Scheitern der Oligarchie durch Interessenkonflikte?

Solche Konflikte zwischen den “Tech-Oligarchen“ und Präsident Trump zeigten sich überraschend früh.

2.1. Auswahl des Finanzministers (Treasury Secretary).

Robert Reich („I’ve spent quite some time around presidents and president-elects and even advised them about personnel decisions“) hält als wichtigste Grundregel der Beratung eines Präsidenten bei personellen Entscheidungen die unbedingte Vertraulichkeit fest. *4)

Bei der Schlüsselposition für Trumps Wirtschaftspolitik, der Auswahl des Finanzministers (Treasury Secretary), war zwischen Howard Lutnick (Geschäftsführer von Cantor Fitzgerald, einer Spitzenfirma für Finanzdienstleistungen) und Scott Bessent (Gründer des Investitionsfonds Key Square Capital Management) zu entscheiden. 

Elon Musk habe aus Sicht Robert Reichs den schweren Fehler begangen, öffentlich auf seinem Internetportal X (früher Twitter) für Lutnick zu werben: “Bessent is a business-as-usual choice, whereas @howardlutnick will actually enact change. Business-as-usual is driving America bankrupt, so we need change one way or another.”  *4) 

Trump entschied sich jedoch für Scott Bessent als Treasury Secretary und damit gegen die öffentliche Empfehlung von Musk. Dies kann Musk gegenüber dem Regierungskabinett Trumps öffentlich erkennbar in eine unangenehme Lage bringen, da E. Musk mitverantwortlich für die Umgestaltung der Regierung im Department of Government Efficiency (DOGE) sein wird.

2.2. Konflikte in der Migrationspolitik

In der Migrationspolitik ist bereits ein Interessenkonflikt zwischen der MAGA (Make American Great Again)-Basis Trumps und den Spitzenunternehmern wie Elon Musk ausgebrochen. 

Musk hatte zunächst erfolgreich bei Präsident Trump durchgesetzt, dass Unternehmen qualifiziertes Personal von außerhalb der USA anwerben können. Aber auch in diesem Fall hatte sich Elon Musk öffentlich auf seinem Unternehmen X exponiert: “The number of people who are super talented engineers AND super motivated in the USA is far too low … If you want your TEAM to win the championship, you need to recruit top talent wherever they may be.” *4)

Bei der MAGA (Make American Great Again)-Basis Trumps, die Einwanderung grundsätzlich ablehnt, stieß diese Einflussnahme Musks auf erbitterten Widerstand. Steve Bannon, führender MAGA-Aktivist, warf Musk und den Tech-Unternehmen vor, sie nutzten die Zuwanderung für gieriges Profitstreben, was die Menschen wütend mache. *5) Die MAGA-Aktivistin Laura Loomer kritisierte Musk in der New York Times: “Elon wants everyone to think he’s a hero because he gave $250 million to the Trump campaign. But that’s not much of an investment if it allows him to become a trillionaire.” *4)  

Wer in diesem Konflikt über die Möglichkeit, qualifiziertem Personal die Einwanderung in die USA zu erlauben, die Oberhand behält — die “Tech-Oligarchen“ um Musk oder die MAGA-Basis Trumps — scheint noch nicht entschieden.

2.3. Elon Musks Streit gegen Trumps Projekt der KI-Infrastruktur.

Schon zu Beginn seiner erneuten Amtszeit als US-Präsident hatte Donald Trump öffentlichkeitswirksam das Projekt “Stargate” angekündigt. 

Trump nahm für sich das Verdienst in Anspruch, dass die Unternehmen OpenAI, SoftBank, and Oracle in dem gemeinsamen Projekt “Stargate” bis zu 500 Mrd. US-Dollar investieren wollen, 100 Mrd. US-$ seien schon für erste Investitionen bereitgestellt. Ziel sei, Rechenzentren zu errichten, um die Anwendung der Künstlichen Intelligenz für das Wachstum und die Technologie-Führerschaft der US-Wirtschaft zu entwickeln. 

Auf diesem für Präsident Trump offenkundig wichtigen Politikfeld führt Elon Musk, der selbst ein KI-Unternehmen besitzt, einen Rechtsstreit gegen OpenAI wegen mutmaßlicher Verletzung der US-Antitrust-Gesetze. Außerdem behauptete Musk wiederum öffentlich auf X, dass dem “Stargate”-Projekt die notwendigen Finanzmittel fehlten: “They don’t have the money … I have that on good authority.” *4)

 Robert Reich sieht hier den schwerstwiegenden Fehler von Musk: Öffentlich Zweifel zu säen an der Durchführbarkeit von Präsident Trumps erster bedeutender Initiative, die Technologie-Führerschaft der USA weltweit durchzusetzen.

 Auch hier dürfte Musks Kritik an Trumps Technologie-Projekt “Stargate“ mit seiner Verantwortung kollidieren, das Department of Government Efficiency (DOGE) zu leiten, einer Aufgabe, die ihm von Trump anvertraut wurde. 

2.4. Trumps Wählerschaft gegen die Technik-Oligarchen?

Wissenschaftliche Politikbeobachter messen Bidens Warnung vor dem wachsenden Einfluss der “Technik-Oligarchen“ Wirkung zu auf die Wählerschaft Trumps. 

Daten der Suchmaschine Google zeigten nach Bidens Rede einen starken und zunächst anhaltenden Anstieg der Suche nach dem Begriff “Oligarchie“; acht von den 10 Bundesstaaten mit dem höchsten Zuwachs der Suche nach “Oligarchie“ seien von der Republikanischen Partei regierte Staaten wie Wyoming, Arizona und Oklahoma. *1)  

Prof. Kindermann zufolge sei Bidens Warnung vor der “Oligarchie“ im gesamten politischen Spektrum der USA registriert worden. Politikwissenschaftler Hanson verwies auf Nach-Wahl-Befragungen, in denen Trump-Wähler angaben, dass für sie die hohen Kosten der Lebenshaltung und die Ungleichheit der Einkommen wahlentscheidend gewesen wären. Sollte daher Trump die Politik seiner ersten Regierung fortsetzen, die Inflation nicht zu bekämpfen und die Technik-Oligarchie zu begünstigen, könnte die Trump-Wählerschaft sich politisch vernachlässigt fühlen. Dies könne zu einem politischen Rückschlag gegen Trump führen.

3. Zum Abschluss: transatlantische Hoffnung

Für die transatlantische Partnerschaft engagierte Menschen werden hoffen, dass die Demokratie in den USA sich als widerstandsfähig gegen die autoritären Anmaßungen aus dem Trump-Lager erweisen wird: Brutalität, Rachsucht und imperialer Größenwahn gegen Panama, Kanada und Grönland.

Gerade Trumps Brutalität und Rachsucht muss auf die Öffentlichkeit abstoßend wirken, nur ein Beispiel sei hier referiert. 

Nach dem Gottesdienst der Bischöfin Budde in Washington, dem Trump und Vance mit ihren Familien beiwohnten, verlangte Trump eine öffentliche Entschuldigung von Budde und ihrer Kirche. Warum? 

Bischöfin Budde hatte sich in ihrer Predigt auf Trumps Behauptung bezogen, Gott habe ihn vor der Ermordung gerettet, und Frau Budde hat ihm gesagt: „Du hast die vorsehende Hand des liebenden Gottes gespürt. Im Namen unseres Gottes bitte ich Dich um Barmherzigkeit gegenüber den Menschen unseres Landes, die jetzt verängstigt sind.“ *6) Trump will in dieser Bitte der Bischöfin Budde die „harte Linie der radikalen Linken“ gesehen haben und forderte: „Sie und ihre Kirche haben sich gegenüber der Öffentlichkeit zu entschuldigen.“ *6)

Könnte es vielleicht sein, dass die sogenannte “Technik-Oligarchie“, geführt von Persönlichkeiten, die weltweit in der Verantwortung für ihre Unternehmen stehen, die Nähe zur Trump-Regierung deshalb suchen, um im Ernstfall mäßigend einzuwirken auf isolationistische und fremdenfeindliche Exzesse der MAGA-Basis und ihres Einflusses auf  Präsident Trump? Gerade auch, weil in Trumps Regierung anscheinend Ja-Sager die Ministerämter besetzen? Ist das Bewusstsein für globale Verantwortung bedeutender Technik-Unternehmer größer als ihr aktuell scheinbar enges Interesse an Steuersenkungen und profitabler Sicherheit am US-Standort, das derzeit die Trump-Regierung bedient?

Transatlantisch engagierte Menschen kennen die Antwort auf diese Fragen nicht. Aber die Wählerschaft der USA wird in den “mid-term-elections“ am 3. November 2026 ihre Verbundenheit mit der Demokratie zeigen können: Dann werden die Amerikaner entscheiden über 468 parlamentarische Mandate im US-Congress, 33 Sitze im United States Senate und alle 435 Sitze im United States House of Representatives stehen zur Wahl. *7) 

Noch ist die Demokratie in den USA nicht verloren!

*1) ABC News. ‚Oligarchy 2.0‘: Experts weigh in on whether Biden’s warning about wealthy justified. By Ivan Pereira. January 18, 2025; https://abcnews.go.com/Politics/oligarchy-20-experts-weigh-bidens-warning-wealthy-justified/story?id=117790741. Kindermann argumentiert: Das private Vermögen der unteren (nach Einkommen) 50 % der Amerikaner (rd. 150 Mio. Menschen) beträgt nur 1.5 % des privaten Nettovermögens in den USA. Hingegen haben die oberen 1 % der Amerikaner (rd. 3 Mio. Menschen) etwa 35 % des Vermögens. (RS zum Vergleich illustriert in Deutschland: 2017 haben die unteren 50 % (nach Einkommen) der Haushalte über 2,6 % des privaten Nettovermögens in Deutschland verfügt und die oberen 1 % Prozent über rund 27 % des privaten Nettovermögens. (Quellen: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-1029766; sowie: https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2024/heft/7/beitrag/die-einkommens-und-vermoegensverteilung-in-deutschland.html; siehe: Abb. 5 Vermögensanteil der oberen 1%). (Übersetzung RS).

*2) Robert Reich is Chancellor’s Professor of Public Policy at the University of California at Berkeley and Senior Fellow at the Blum Center. He served as Secretary of Labor in the Clinton administration, for which Time Magazine named him one of the 10 most effective cabinet secretaries of the twentieth century. Quelle: https://robertreich.org. RS Hinweis: In demselben Jahr 2008 wie die Ehrung durch Time setzte ihn ´The Wall Street Journal` auf den 6. Rang als einflussreichster Wirtschaftsdenker („on its list of Most Influential Business Thinkers“; Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Robert_Reich).

*3) Robert Reich. Trump’s first week: The Real Story. 26.01.2025; robertreich@substack.com.

*4) Robert Reich. The Muskrat Strikes Back. It could be his last strike. 22.01.2025; robertreich@substack.com.

*5) Steve Bannon condemns Elon Musk as ‘racist’ and ‘truly evil’. Ex-Trump adviser denounces tech CEO’s embrace of some forms of immigration and vows to ‘take this guy down’. Chris Michael; https://www.theguardian.com/us-news/2025/jan/12/steve-bannon-calls-elon-musk-racist

*6) Trump exige disculpas a obispa que le pidió tener “misericordia” de personas LGBTQ+ y migrantes. Por DARLENE SUPERVILLE, TIFFANY STANLEY y GARY FIELDS. 24. 01. 2025; https://www.latimes.com/espanol/eeuu/articulo/2025-01-24/trump-exige-disculpas-a-obispa-que-le-pidio-tener-misericordia-de-personas-lgbtq-y-migrantes (Übersetzung RS).

 *7) United States Congress elections, 2026. A total of 468 seats in the U.S. Congress (33 Senate seats and all 435 House seats) are up for election on November 3, 2026; https://ballotpedia.org/United_States_Congress_elections,_2026