Verdi – Sind denn Aufsichtsräte Gedönsräte?

Seit fast 40 Jahren bin ich überzeugtes ÖTV/Verdi-Mitglied. Vor allem aus Solidarität mit den exzellenten Verkäuferinnen in den großen Kaufhäusern wie Karstadt. Nebenbei: Es gibt ja viel Kritik an der „Wirtschaftselite“, zuletzt eine eindrucksvoll zu lesende Philippika von Peer Steinbrück – „Mischpoke“ in den oberen Etagen – „Unterm Strich“.

Nun ist der Begriff des „Managers“ heute weit gefasst. Wie oft hört man schon bei den Handy-Telefonaten den Entscheidungsträger-Topmanager-Ton im ICE oder Flughafenrestaurant etc.

Ich will mir kein Urteil gegen Peer Steinbrücks Einschätzung mancher Manager erlauben. Vor einer ganz bestimmten Gruppe von Managern jedenfalls habe ich aus betriebswirtschaftlicher Sicht den höchsten Respekt. Das sind die Kaufhausmanager aller Ebenen. Verantwortlich für Tausende von Produkten! Und damit bin ich auch wieder bei den Verkäuferinnen und meiner langjährigen Mitgliedschaft in Verdi – aus fester Überzeugung.

Nur manchmal hadere ich; aber dann muss es auch mal raus!

Gestern lese ich viel Interessantes in Verdi-Publik (04-2011). Z.B. dass sich am 27. März „70 Prozent der Wähler/Innen in Hessen für die Aufnahme der Schuldenbremse in die hessische Landesverfassung ausgesprochen“ haben (S.10). Das freut mich gerade als Beweis, wie verantwortlich und solidarisch unsere Wählerschaft gegenüber kommenden Generationen ist. Doch dann reibe ich mir die Augen.

Stolz verkündet mein Verdi-Blatt mit dem Untertitel „Solidarität im Neuen Format“: „Der ver.di-Landesbezirk Hessen hatte im Vorfeld engagiert für die Ablehnung der Schuldenbremse geworben … Gegen 95 Prozent des Landtags … CDU, FDP, SPD und Grüne hatten sich für die Schuldenbremse ausgesprochen, nur die Linkspartei war dagegen.“ Donnerwetter, da zeigt sich gewerkschaftliches Rückgrat: Mit der Linkspartei gegen 70 % der Wähler und gegen 95 % des Landtags. Übrigens auch gegen Vorgaben unseres Bundesverfassungsgerichtes. Aber, so Verdi, es geht ja darum, „wie Hessen in Zukunft sozial und öffentlich sein kann.“

Liebe Verdi! Dies ist für mich bornierte Anmaßung und Bonzentum, ganz unerträgliches Bonzentum! Nehmt diese Meinung bitte hin, für meine Mitgliedsbeiträge von Januar bis März.

Auch zu Griechenland findet sich was (04-2011, S. 8). Klar, denke ich, Hellas braucht unsere kritische Solidarität, die wir aber wohl nicht als Einbahnstrasse verstehen müssen. Das sagen Europäische Union, Europäische Zentralbank, unsere Politiker und die Medien von der „ZEIT“ bis „BILD“.

Nicht aber Harald Neuber in Verdi-Publik. In einem Buchtipp zu Griechenland steckt er uns alle gnadenlos in eine Kiste wegen Beteiligung an einer „Anatomie der Lüge, die in Brüssel ihren Ursprung hat, über die Boulevardpresse (von ZEIT bis BILD, RS) verbreitet wurde und unter anderem bei einem Marsch der neofaschistischen NPD … vor dem Konsulat Athens in Düsseldorf endete.“ Das langt für den April-Mitglieds-Beitrag, Kollege Neuber.

Dann feiert Frau Heike Schrader die landesweiten Proteste und „Kämpfe“ gegen die Sparprogramme zur Konsolidierung des griechischen Staatshaushalts. Dazu ist bekanntlich jetzt die sozialdemokratische Pasok-Regierung unter dem angesehenen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou nach Jahren konservativer Misswirtschaft, Korruption und Verschwendung gezwungen. Damit Griechenland in der Eurozone bleiben kann und die europäische Finanzhilfe nicht verschleudert wird.

Frau Heike belässt es nicht beim lesenswerten Bericht über die Aufstände gegen die Regierung. Mitgefühl ergreift sie für die „kommunistisch orientierte Gewerkschaftsfront PAME“. Denn diese zwar „stärkste Gewerkschaftsformation im Land … schafft es allein aber nicht, die Kämpfe zu vereinen.“ Dann wäre nämlich Schluss mit dem Sparterror der Pasok-Regierung. Hinter der auch die „meinungsbildenden Fernsehsender.., die in ihren Hauptnachrichten die Bürger gegen die Streikenden ausspielen,“ stecken.

So, jetzt hat mich Verdi-Publik schlau gemacht, was für Griechenland zu tun ist: Deutschland muss zahlen.

Nach so viel Verschwörungstheorie – „Anatomie der Lüge“ – gestattet auch mir einen kleinen verschwörungstheoretischen Beitrag.

Frau Ruth Berschens, Handelsblatt, informierte kürzlich im Presseclub (Euro in Not), dass es in Griechenland keinerlei Grundstücks- und Immobilienbesteuerung gibt. Nun weiß jeder im Kreis unserer gewerkschaftlichen und politischen Linken ein wenig Bewanderte, wie tief dort seit Jahrzehnten die Solidarität mit Griechenland empfunden wird. So tief, dass sich der Traum, mit den Hellenen in Solidarität zu leben, in einer beträchtlichen Zahl von Refugien in dem schönen Partnerland verwirklichte.

Ehe Hellas nun auf den Gedanken kommt, Immoblilien zu besteuern, fordern wir Linken doch erst mal die Bundesrepublik zur verdammten Pflicht und Schuldigkeit, nämlich zur Transfer-Solidarität des deutschen Steuerzahlers auf! Dies für meinen Mai-Mitgliedsbeitrag, liebe Kolleg/Innen von Verdi-Publik.

Meine gelegentlich etwas grimme Freude über meine Gewerkschaft Verdi bekommt auch jedes mal einen Schub, wenn ich die Stellvertretende Vorsitzende und Leiterin des Bereichs Handel, Frau Margret Mönig-Raane, sehe. Damit komme ich auf Karstadt zurück.

Der Karstadt-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Helmut Patzelt ( vgl. wiwo.de, 03.07.2010) mag ja bei den Verhandlungen mit den Highstreet-Vermietern Kommunikationsfehler gegenüber Frau Mönig-Raane begangen haben. Er habe sie „immer im Bild“ gehalten, sagte er. Aber wie reagiert Frau Mönig-Raane? Mit einer geschürten Protest-Kampagne und mit der Androhung rechtlicher Schritte gegen den Kollegen Patzelt besteht sie darauf, von ihm nicht informiert worden zu sein. Hat sie denn mit Karstadt nichts zu tun? Dazu gleich Näheres!

Nicht etwa aktiv Information suchen, nein, ganz im Gegenteil, auf Nicht-Wissen bestehen, das scheint der Führungsstil der Leiterin des Bereichs Handel im Verdi-Vorstand zu sein. Und wer ihr mit Information kommt, dem drohen juristische Schritte? Feine Solidargemeinschaft, meine Verdi!

Unvergessen ist mir auch Frau Mönig-Raanes öffentliches Wüten im TV, als Herr Karl-Gerhard Eick nach kurzer Zeit an der Spitze der Arcandor AG (Karstadt) mit rd. 50 Mio. € Abfindung ging. Dermaßen schimpfte die Dame, dass ich von ihrem Zorn angesteckt wurde. Jetzt wollte ich wissen, welche Trottel im Aufsichtsrat meines Lieblings-Kaufhauses (v.a. in Hamburg an der Mö) so etwas zulassen. Ich suche, gucke, staune: Frau Margret Mönig-Raane herself nebst einer Reihe anderer Verdi-Vertreter/Innen. Das setzt auch ihren Streit mit Herrn Patzelt, dem Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats der Arcandor AG, über ihr Wissen oder Nicht-Wissen in ein sonderbares Licht.

Frau Mönig-Raane, sind denn Aufsichtsräte Gedönsräte, wie es im Rheinland heißt, wenn Räte sich nicht informieren und immer Ja und Amen sagen? Und wenn Rechenschaft zu leisten ist, nie etwas gewusst haben wollen? Das für den Rest meiner Beiträge an Verdi in diesem Jahr!