Vergleiche hinken …

das wird bereits Kindern beigebracht, wenn sie zuviel quatschen.

Auch Politiker – eine große Ausnahme ist die nüchterne Bundeskanzlerin – reden häufig zuviel. Sie würden besser vorher aufschreiben, was sie glauben, sagen zu müssen.

Gerade bei Politikern ist es geboten, ihre Aussagen sorgfältig zu prüfen – nicht nur auf sachliche Richtigkeit des „Was“, sondern auch darauf, ob das „Wie“ angemessen ist.

Warum langjährige Erfahrung nicht hilft, die Falle des schnellen Vergleichs zu meiden, ist bei Politikern erstaunlich. Wahrscheinlich sind sie zu oft gezwungen zu reden und haben bei ihrer Arbeitsbelastung zu wenig Zeit zu schreiben. Und selbstkritisch über den Impuls nachzudenken, warum wieder einmal der Mund zu viel oder zu weit geöffnet wird.

Por la boca abierta entra mosca, sagt der Latino!

Besonders beliebt und häufig fatal sind die Fälle, in denen es Politiker drängt, ihr Reden mit Vergleichen zu würzen.

Indem sie aus gegebenen Anlässen verschiedene Persönlichkeiten (Goebbels-Gorbatschow, Helmut Kohl; George W. Bush – Hitler, Frau Däubler-Gmelin), Länder (Israel – Apartheid/Südafrika, Sigmar Gabriel) oder Zeiten vergleichen – wie jetzt Herr Schäuble (Sudetenland-Hitler, Krim-Putin).

Fast immer hinken die Vergleiche oder sind gar so beleidigend, dass Rücktritte geboten sind. Auf weitere Beispiele sei hier verzichtet.

Unser Jahr 2014 bietet dem Fauxpas besonders viele Gelegenheiten – mit all den Ereignissen, die sich zum 100., zum 75., zum 60., zum 25. Male jähren.

Warum ein so außergewöhnlich verdienter Staatsmann wie der Bundesminister der Finanzen, Wolfgang Schäuble, sich vergaloppierte, darüber kann nur gerätselt werden: Der vom Grundgesetz mit weitgehenden Rechten ausgestattete Finanzminister schwächt seine Position im Kabinett und konterkariert diplomatische Bemühungen des Außenministers …

Ich vermute, Herr Schäuble könnte durch Lektüre des herausragenden Beitrags „Europa vom Kopf auf die Füße stellen“, den wir Ministerpräsident a.D. Erwin Teufel verdanken, in den Treibsand historischer Bezüge geraten sein. *1)

Um die Annexionspolitik Präsident Putins zu bewerten und entschieden zu verurteilen, genügen da nicht als Maßstab das Völkerrecht oder die maßgeblichen zwischenstaatlichen Verträge?

Muss ein deutscher Spitzenpolitiker Herrn Putin oder manchem deutschen Historiker in den Sumpf geschichtlichen Schwadronierens über die Ukraine und die Krim folgen?

*1) Gastbeitrag. Europa vom Kopf auf die Füße stellen. Von ERWIN TEUFEL; faz.net, 30.03.2014.

Nachtrag 05.04.2014: Sonderbar nachsichtige ZEIT! Zu Minister Schäubles Sudetenland-Hitler-Vergleich mit der Krim-Annexion kommentierte der ZEIT-Redakteur Carsten Luther am 31.03.2014 unter dem Titel „KRIM-ANNEXION. Diesmal hilft die Hitler-Keule“. Natürlich weiß Herr Luther „Mit solchen Vergleichen macht man sich in Deutschland selten Freunde, höchstens die falschen. Es geht eigentlich immer schief.“ Dennoch folgert er mit Blick auf die Annexion der Krim: „Wenn Schäubles Zitat, der Vergleich zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, der deutschen Debatte dabei hilft, die Dramatik der aktuellen Lage zu verstehen, dann war es das wert.“

Dieses Fazit ist nicht nur abwegig, es weist auch bedenklich in die Richtung „Der Zweck heiligt die Mittel.“ Solche Nachsicht in der ZEIT – früher Muster der „political correctness“ – scheint neuerdings System zu haben. Ungerührt titelt die ZEIT am 03.04.2014 „LINKE IN EUROPA. ´Mit Blut und Schmerz`. Der griechische Oppositionsführer Alexis Tsipras, 39, warnt vor einem ´sozialen Holocaust` (Hervorhebung RS) in der Euro-Zone. Von Michael Thumann.“

War es nötig, diese wahnsinnige Aussage Tsipras` noch zur Schlagzeile zu erheben? Bei welcher „deutschen Debatte“ hilft das? Beim Verständnis welcher „Dramatik“? Hellas ist bekanntlich wirtschaftlich über den Berg. Oder sind dies Verbeugungen vor Helmut Schmidt, der auch einmal verglichen hatte: „Adolf Nazi war ein charismatischer Redner. Oskar Lafontaine ist es auch.“ Es ist kaum zu glauben!