Was stärkt rechte Parteien?

Leider führt diese Frage gerade aus Sicht der Sozialdemokratie zu beunruhigenden Ergebnissen. Dies zeigt sich derzeit in Deutschland (Umfragen) und erst recht in Schweden und Italien, wo kürzlich gewählt wurde.

Hierzulande liefert der “ARD-DeutschlandTREND September 2022“ (https://www.tagesschau.de/dtrend-769.pdf) Aufschlüsse. Die Frage “Welche Partei würden Sie wählen, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre?“ bringt als Ergebnis (in Klammern der Stimmenanteil bei der Bundestagswahl 2021):

Für die SPD 17 % (25.7 %), für die AfD 13 % (10.3 %). Die führende Regierungspartei SPD verliert also in einem Jahr 8.7 Prozentpunkte an Zustimmung, die AfD gewinnt 2.7.

Ratlos fragen Sozialdemokraten angesichts dieser Umfrage-Zahlen zu SPD und AfD:

  • Liegt es an schlecht beurteilter SPD-Regierungsführung? Angesichts der Leistungen des Kanzlers Scholz und der SPD-Ministerriege wäre Kritik eher bei anderen Ressorts der Ampelkoalition plausibel …
  • Oder erscheint, in Krisenzeiten zumal, die “queer“-politische Profilierung der SPD fragwürdig? Die Bundestagsfraktion der SPD hatte kürzlich einen “Queer“-Beauftragten ernannt. Die offizielle Arbeitsgemeinschaft der deutschen Sozialdemokratie, “SPD-Queer“, ausgestattet mit 10-köpfigem Bundesvorstand (https://spdqueer.spd.de), rühmt sich, „älteste queere Organisation in einer deutschen Partei“ zu sein.
  • Oder ist es die offene Haltung zur Einwanderung, die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vertritt? Nähert sich die  SPD der Linkspartei an, die seit langem eine Migrationspolitik, die den Fachkräftemangel beheben will, als „Nützlichkeitsrassismus“ diskreditiert?

Blicken wir auf der Suche nach möglichen Antworten auf die sozialdemokratischen Parteien Schwedens und Italiens, die bei den Parlamentswahlen gegen “rechte“ Partei-Bündnisse verloren.

In Schweden erreichte das rechtskonservative Bündnis (Moderate Sammlungspartei, Schwedendemokraten, Christdemokraten, Liberale) am 11. September 2022 die Mehrheit vor dem Mitte-Links-Bündnis (Sozialdemokraten, Zentrumspartei, Linke, Grüne).

Die Schwedendemokraten (SD), eher nationalistisch und gegen Einwanderung eingestellt, wurden nach den Sozialdemokraten (30.3 %) zweitstärkste Partei (20.5 %) des Landes: „(The) rise of the far-right anti-immigrant party has been meteoric“, kommentierte der Journalist David Mac Dougall. *1)

Ursachen für dieses Resultat mögen Urteile betroffener Menschen illustrieren: *2)

  • Hama Abdulla, 49 Jahre, aus dem Irak eingewandert, Obsthändler: „Brennende Autos, Schießereien, in Stockholm, Göteborg und anderen Orten …  aber in (der südlichen Provinz) Skåne passiert das am häufigsten. Die Leute haben es satt. Ich habe viele Freunde, sie sind Einwanderer und dennoch wählten sie SD (Schwedendemokraten).“
  • Margareta Christensen, 66 Jahre, pensionierte Lehrerin, wählte zum ersten Mal die Schwedendemokraten (SD): „Es gibt soviel Kriminalität und Schießereien durch Gangs in Malmö und überall. Ich bin von Malmö fortgezogen.“
  • Kent Hallström, 73 Jahre, wählte SD: Er betont, dass die Menschen (in Skåne) keine Rassisten seien, „aber man muss die Ressourcen haben, bevor man anfängt, Menschen aufzunehmen.“   

In Italiens Parlamentswahl vom 25. September 2022 gewann die einst von Mussolini-Faschisten gegründete mutmaßliche Splitterpartei “Fratelli d’Italia“ (FdI, Brüder Italiens) unter Führung von Giorgia Meloni (45 Jahre) mit 26.0 % (+ 21.6 Prozentpunkte) vor den Sozialdemokraten (PD, Partito Democratico) unter Enrico Letta, die 19.1 % (+ 0.4 Prozentpunkte) erreichten.

Das Wahlergebnis ermögliche die Regierung eines von Giorgia Meloni (FdI) geführten Regierungsbündnisses mit der “Lega“ des ehemaligen Innenministers Matteo Salvini (49 Jahre) und der “Forza Italia“ von Ex-Premier Silvio Berlusconi (85 Jahre). Dieses Bündnis von drei Parteien habe die absolute Mehrheit in beiden Kammern (Abgeordnetenhaus und Senat) des italienischen Parlaments erreicht.

Warum errang Giorgia Meloni ihren dramatisch hohen Zuwachs an Wählerstimmen? Waren es ihre politischen Prioritäten? Diese habe sie vor spanischen Anhängern so zusammengefasst: *3)

  • Ja zur natürlichen Familie — Nein zur LGBT-Lobby.
  • Ja zur sexuellen Identität — Nein zur Gender-Ideologie.
  • Nein zur islamistischen Gewalt — Ja zu sicheren Grenzen.
  • Nein zur Massen-Immigration. Nein zur internationalen Großfinanz. Nein zu den Bürokraten in Brüssel.

Nach dem Wahlsieg äußert sich die mögliche Regierungschefin Italiens moderater …

Das beste Fazit zu den mutmaßlichen Motiven in Teilen der Wählerschaft in Deutschland, in Schweden und in Italien ist ­Martin Knobbe, DER SPIEGEL, gelungen:

„Das macht Populisten eben so erfolgreich: Sie haben ein viel besseres Gespür als viele andere Politikerinnen und Politiker (und Journalistinnen und Journalisten) dafür, was die Leute wirklich bewegt.“ *4)

Diese Feststellung Knobbes sollte die deutsche Sozialdemokratie als Weckruf verstehen.

*1) Sweden election: Why the far-right were the biggest winners and four other takeaways. Comments. By David Mac Dougall. Updated: 16/09/2022; https://www.euronews.com/my-europe/2022/09/16/sweden-election-why-the-far-right-were-the-biggest-winners-and-four-other-takeaways

*2) 2022 SWEDISH ELECTION. Crime unites voters in Swedish far-right stronghold. Concern over soaring crime has united voters in the small town of Sjöbo, where the far-right Sweden Democrats, the big winners in Sunday’s election, posted their strongest score. Published: 14 September 2022; https://www.thelocal.se/20220914/crime-unites-voters-in-swedish-far-right-stronghold/ (Übersetzung RS).

*3) Giorgia Meloni: Italy’s far right set to win election – exit polls. By Paul Kirby. BBC News, Rome. 26.09.2022; https://www.bbc.com/news/world-europe-63029909 (Übersetzung RS).

*4) Martin Knobbe. Leiter Hauptstadtbüro, DER SPIEGEL. Spaltet sich Europa jetzt doch? Die Lage am Morgen. Ihr Morning-Briefing um 6 Uhr. Montag, 26. September 2022; morning-briefing@newsletter.spiegel.de

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