„Weitsichtige Planungsperspektive“.

Kaum einmal für zwei Festtage aus der politischen Verpflegung abgemeldet, findet sich bei Rückkehr Erstaunliches angerichtet. Dies hat der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel ausgekocht.

„Wir werden 2013 einen klaren Richtungswahlkampf führen … Die Alternative lautet: Rot-Grün oder Schwarz-Gelb.“ (WELT ONLINE, Interview mit Sigmar Gabriel, 26.12.2011).

„Es gibt in der Opposition keine Koalition.“ Dieser Satz u.a. von Renate Künast (FAZ-Interview, 7.7. 2010) oder von den Fraktionsvorsitzenden der SPD und der Grünen im hessischen Landtag – gilt er nicht mehr? In Hessen sei dies Diktum sogar „eine Frage der Ehre und des Selbstbewusstseins“, so Ralf Euler über ein Gespräch mit den dortigen rot-grünen „Protagonisten“ der Opposition (FAZ, 29.4.2011).

Nun haben wir also in unserem „Fünf-Parteien-System“ (Renate Künast, a.a.O.) eine politische Festlegung der SPD, über deren sicher äußerst subtile strategische Planung der Bürger bisher nur rätseln kann. Die Benennung eines sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten hat für Herrn Gabriel offenbar jede Menge Zeit. Nicht jedoch die Frage, ob die SPD sich überhaupt auf einen möglichen Regierungspartner festlegen oder als große Volkspartei ganz eigenständig ohne vorherige Koalitionsaussage in den Wahlkampf ziehen sollte.

Aus einer durchaus erfolgreichen Oppositionsrolle heraus will die SPD also den Wahlkampf 2013 als Teil eines oppositionellen Bündnisses führen. Die große historische SPD! Hätte sich damit die Ambition der Sozialdemokratie im 150. Jahr ihrer Gründung durch Ferdinand Lassalle und seine Weggefährten erfüllt?

Das kann ein 1960 beigetretener Sozialdemokrat kaum glauben. Wann haben denn überhaupt sozialdemokratische Parteiführer in der Opposition fast zwei Jahre vor einer Bundestagswahl eine solche Festlegung getroffen?

Der große Wahlkampfstratege Harry Walter („Denkt an die Oma mit der Plastiktüte!“) hatte für den SPD-Wahlkampf 1969 die Botschaft formuliert: „Wir schaffen das moderne Deutschland“ – im Wahljahr und für die SPD als Regierungspartei in der Großen Koalition. Dies mag als Perspektive für eine sozialliberale Koalition deutbar gewesen sein. Doch blieb das Spiel wohl offen. Herbert Wehner soll plädiert haben, die große Koalition fortzusetzen.

Oder könnte Sigmar Gabriel Gerhard Schröders „weitsichtige Planungsperspektive“ für die Bundestagswahl 1998 im Blick gehabt haben?

Dann hätte er den Grünen – wie seinerzeit Gerhard Schröder im STERN – folgendes mitgeteilt: „SCHRÖDER: … In einer rot-grünen Konstellation muss klar sein: Der Größere ist Koch, der Kleinere ist Kellner. Dies nicht zu akzeptieren, ist eine typische Form grüner Überheblichkeit.“ (STERN, Streitgespräch Gerhard Schröder – Joschka Fischer, Februar 1997; zitiert nach Joschka Fischer, Die rot-grünen Jahre, Knaur, 2008, S. 45, 47). Gerhard Schröder wird allerdings auch nachgesagt, dass er vor der Wahl 1998 gelegentlich durchblicken ließ, die FDP warte schon auf ein Koalitionsangebot.

Nun war der von Gerhard Schröder etwas harsch zum Kellner eingestufte Joschka Fischer schon damals eine in Deutschland hoch akzeptierte Persönlichkeit. Heute haben die Grünen mit Frau Künast und Herrn Trittin zwar hervorragende Politikprofis, aber keine mit Joschka Fischers Ansehen und parteiübergreifender Anerkennung vergleichbare Führung. Dagegen hat die SPD gleich drei Persönlichkeiten kanzlerfähigen Kalibers.

Deshalb haben die Grünen Herrn Gabriel wohl Zustimmung für seine „weitsichtige Planungsperspektive“ signalisiert. „Signalisiert“ …