„Wenn-dann-Fragen

… beantworte ich nicht“, so Bundeskanzlerin Merkel. „Sie kennen mich … Ich arbeite mich ruhig durch die heutigen Beschlüsse.“ *1) Kritik an diesem bei Merkel üblichen Umgang mit Sorgen der Öffentlichkeit blieb leider aus.

Sprache und Denken.

An derartigen Politik- und Regierungsstil Merkels sollten sich die Bürger nicht gewöhnen. Denn die für Merkel unerwünschten „Wenn-dann-Fragen“ bei Pressekonferenzen stehen schon deshalb im Raum, weil sich „in einer Welt aus den Fugen“ (Steinmeier) bei sehr vielen (auch potentiellen) Ereignissen besorgte Fragen nach politischen Folgen oder Reaktionen aufdrängen.

Insofern kann in Merkels Satz „Wenn-dann-Fragen beantworte ich nicht“ eine durchaus dreiste Verweigerung von Antworten gegenüber vielfältigen Sorgen der Öffentlichkeit gesehen werden.

Die Kanzlerin, „die das Rumgedruckse über Jahrzehnte zu einer eigenen Stilform erhoben hat“, offenbart nun, „ich persönlich messe der Sprache auch eine sehr, sehr große Bedeutung zu. Und ich werde mich gegen gewisse Erosionen von Sprache sehr wenden. Weil ich glaube, dass es auch Ausdruck von Denken ist“. *2)

Die Methode Merkel?

Merkels Sprache, Denken und Politikstil scheint gekennzeichnet durch die Abfolge: Problem—Risiko für Machterhalt—“Rumgedruckse“ statt „Wenn-dann“-Festlegung—Allein-Entscheidung und deren Gegenteil, je nach wechselnder Meinungsmehrheit.

Wesentlich erscheint dabei — z.B. auch durch Zurückweisen von „Wenn-dann-Fragen“ — keine Positionen zu konfliktiven Fragen zu beziehen, wenn dies den politischen Gegner bei Wahlen stärken könnte. Diese als „asymmetrische Demobilisierung (und) als eine existenzielle Gefahr für die Demokratie“ *3) beurteilte Politik Merkels ist oft genug erkennbar geworden. Und nach dem Urteil vieler Kritiker als Zick-Zack-Kurs mittelfristig gelegentlich misslungen:

  • Erst Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken, dann nach schwerem Tsunami-Unglück in Japan (Fukushima) Abschalten „mit Augenmaß“ (Merkel);
  • erst „Willkommenskultur“, alberne Selfies mit Flüchtlingen und offene Grenzen gegen ernste Warnungen — z.B. der ehemaligen Verfassungsrichter Papier und di Fabio — dann Rückführungen ankündigen, und den massenhaften Tod im Mittelmeer hinnehmen, bevor von „Humanität“ getönt wird.
  • Aber dies alles immer mit einschläfernd beruhigender Rhetorik: „Wir schaffen das“.

Damit wird deutlich, warum der Kanzlerin „Wenn-dann-Fragen“ unerwünscht sind. Denn Merkel fährt Politik „auf Sicht … eher im Sinn einer kurzfristigen Taktik als einer langfristigen Strategie“. *3)

Die Kosten

Die Kosten dieser „unilateral und unabgestimmt und zulasten Dritter“ (Merkel) getroffenen Entscheidungen Merkels sind enorm. (Vor solcher Politik warnt Merkel heute … gegen Innenminister Seehofer! *1)).

Sehen wir hier von Merkels 2011 beim AKW-Ausstieg beruhigenden Aussagen über den Anstieg der Stromkosten ab, der Industrie und Privathaushalte inzwischen hart trifft!*4)

Zu den Folgen der Migrationspolitik Merkels kalkuliert der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Gerd Müller, CSU: „Für eine Million Flüchtlinge geben Bund, Länder und Gemeinden 30 Milliarden Euro im Jahr aus. Das Geld wäre in den Herkunftsländern besser angelegt.“ *5)

Da mag der Bundeskanzlerin Merkel manche „Wenn-dann-Frage“ gestellt werden:

Wenn Sie, Frau Bundeskanzlerin, die Migration zur „Schicksalsfrage Europas“ (Merkel) erklären,

  • warum haben Sie, Frau Bundeskanzlerin, dann „unilateral und unabgestimmt und zulasten Dritter“ in der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 „eine Linie des schrankenlosen Willkommens, jenseits aller Ordnungspolitik“ gefahren? *6)
  • Warum verlangen Sie dann die Aufnahme von Flüchtlingen von den EU-Ländern Ostmitteleuropas, die ihre eigenen Minderheitenprobleme haben, und die Sie, Frau Bundeskanzlerin, nicht vor Ihrer Entscheidung konsultiert haben?
  • Warum verlangen Sie dann nicht auch die Aufnahme einer größeren Zahl Geflüchteter von Frankreich? *7)

Merkels „Wenn-dann-Sätze“.

Im Unterschied zu den missliebigen „Wenn-dann-Fragen“ von Journalisten hat Merkel „Wenn-dann-Sätze“ selbst sogar öffentlich benutzt. Jedoch vor allem, um ihre Flüchtlingspolitik zu rechtfertigen:

  • Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land.“ *8)
  • Wenn der eine seine Grenze definiert, muss der andere leiden. (Dann) ist (das) nicht mein Europa“. *9)

Wie gesagt, an derartigen Regierungsstil Merkels sollten sich die Bürger nicht gewöhnen.

Die Einrichtungen politischer Bildung und Demokratieförderung wenigstens mögen sich öffentlich Merkels Umgang mit „Wenn-dann-Fragen“ verbitten. Und Merkels Methode zurückweisen, Antworten auf besorgte „Wenn-dann-Fragen“ nach politischen Folgen potentieller Ereignisse, die in den bestehenden Bedrohungslagen sehr nachvollziehbar sind, zu verweigern. Denn sonst wird Merkels Politikstil „asymmetrischer Demobilisierung“ im Umgang mit der Öffentlichkeit wirklich zur „Gefahr für die Demokratie“ *3). Weil verärgerte Bürger extreme Parteien wählen; in neueren Umfragen liegt die AfD (17.5 %) bereits knapp vor der SPD (17 %) und die CDU/CSU rutscht auf 29 % (Mitte Juli 2018; INSA, bild.de).

Die Älteren werden den Bundeskanzler Helmut Schmidt erinnern. Der gerade auch im Amt als Bundeskanzler und in Interviews auf “Wenn-dann-Fragen“ einging *10), weil er weitblickend für künftige Probleme politische Lösungen suchte.

Aber wenn heute „die politische Klasse daran glaubt, dass Politik wirklich nur eine Frage von simplen moralischen Grundsätzen, machtpolitischem Charisma und fleißiger Sachlichkeit ist“ *3), dann haben die Deutschen mit Merkel die Kanzlerin, die sie verdienen.

*1) Asylstreit in Unionsparteien: Seehofer gewährt Merkel Aufschub bis Ende Juni. BIRGIT BAUMANN AUS BERLIN. 18. Juni 2018; https://derstandard.at/2000081809585/Asylstreit-zwischen-CDU-und-CSU-Seehofer-gewaehrt-Merkel-Aufschub.

*2) Bundeskanzlerin Merkels Prinzipien. Je mehr Angela Merkels Überzeugungen unter Druck geraten, desto deutlicher formuliert sie ihre Visionen. Für Innenminister Horst Seehofer findet sie klare Worte. Eine Analyse von Ferdinand Otto. 20. Juli 2018; https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-07/bundeskanzlerin-angela-merkel-cdu-ueberzeugungen-druck-epochenwechsel/.

*3) Angela Merkel. Sie wird untergehen. Die Welt ist böse, aber hier ist alles gut. Das war die Wahrnehmung der Deutschen unter Merkel. Die Kanzlerin macht weiter, doch ihr unpolitischer Stil hat verloren. Eine Analyse von Tobias Haberkorn. 28. September 2017; https://www.zeit.de/kultur/2017-09/angela-merkel-bundeskanzlerin-vertrauen-buerger-politikstil/komplettansicht

*4) „Tatsächlich ist der durchschnittliche Strompreis für Industrie, Gewerbe und Dienstleistungen in Deutschland seit 2000 um 184 Prozent auf derzeit 17,2 Cent pro Kilowattstunde gestiegen. Es sind vor allem Abgaben, Umlagen und Steuern, die die Kosten in die Höhe treiben und mittlerweile gut die Hälfte des Strompreises ausmachen – vor allem aber die EEG-Umlage, mit der Betreiber von Wind- und Solaranlagen gefördert werden. Sie ist seit dem Jahr 2000 von 0,2 Cent pro Kilowattstunde auf aktuell 6,79 Cent pro Kilowattstunde gestiegen. In diesem Jahr werden Privathaushalte und Industrie über ihre Stromrechnung allein für die Ökoumlage 24 Milliarden Euro zahlen. Die Hälfte davon entfällt auf Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen. 95 Prozent der Firmen in Deutschland zahlen die EEG-Umlage.“

STANDORTKILLER STROMPREIS. So stark belasten hohe Energiekosten Unternehmen. Von Angela Hennersdorf. 09. April 2018; https://www.wiwo.de/politik/deutschland/standortkiller-strompreis-so-stark-belasten-hohe-energiekosten-unternehmen/21142312.html.

*5) GASTKOMMENTAR. Die Flüchtlingskosten sind ein deutsches Tabuthema. Deutschland hat sich in der Aufnahme von Flüchtlingen äusserst grossherzig gezeigt. Wie es mit der «Willkommenskultur» weitergeht, ist jedoch ungewiss. Die Kosten drücken gewaltig. Wolfgang Bok. 15.9.2017; https://www.nzz.ch/meinung/kommentare/die-fluechtlingskosten-sind-ein-deutsches-tabuthema-ld.1316333.

Bok führt u. a. aus: „Wer bei der Berliner Regierung nach der Gesamtsumme der Flüchtlingskosten fragt, wird in ein Labyrinth von Statistiken und Zuständigkeiten geschickt. Es handelt sich schliesslich nicht um Kleinigkeiten, sondern um gewaltige Etatposten. Allein der Bund will von 2016 bis 2020 zur Versorgung der Flüchtlinge 93,6 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Da die Bundesländer klagen, allenfalls die Hälfte der Kosten erstattet zu bekommen, wären also jährlich zwischen 30 und 40 Milliarden zu veranschlagen. Unklar bleibt, ob dabei die zusätzlichen Ausgaben für 180 000 neue Kindergartenplätze, 2400 zusätzliche Grundschulen und die zugesagten 15 000 Polizisten eingerechnet sind. Allein die Verwaltungsgerichte fordern 2000 weitere Richter, um die Asyl-Klagewelle zu bewältigen, die sich seit 2015 auf 200 000 Widerspruchsverfahren vervierfacht hat. Das Robert-Koch-Institut wiederum weist auf eine drastische Zunahme gefährlicher Infektionskrankheiten wie Tuberkulose oder Aids hin, die mit den Flüchtlingen ins Land gekommen sind.“

*6) Zehn Jahre Kanzlerin. Flüchtlingskrise — Merkels letzter Kampf? Eine Analyse.

Von Michael Bröcker und Eva Quadbeck; 21. November 2015; https://rp-online.de/politik/deutschland/fluechtlinge-der-letzte-kampf-von-angela-merkel_aid-9213043

*7) AUSLAND. GEMEINSAME ASYLPOLITIK. Auf Dauer setzt auch Macron auf Abschottung. Veröffentlicht am 19.06.2018. Von Martina Meister.

„An der französisch-italienischen Grenze führen die Franzosen seit Monaten vor, was der deutsche Innenminister Seehofer fordert: Frankreich hat dort seine Grenzen de facto geschlossen“; https://www.welt.de/politik/ausland/article177786612/Gemeinsame-Asylpolitik-Auf-Dauer-setzt-auch-Macron-auf-Abschottung.html

*8) Dienstag, 15. September 2015. Kanzlerin wird emotional; https://www.n-tv.de/politik/Merkel-Dann-ist-das-nicht-mein-Land-article15938301.html (Hervorhebung RS).

*9) Angela Merkel bei Anne Will. „Nein, ich steuere nicht um“. Bundeskanzlerin Angela Merkel bekräftigte bei einem Solo-Auftritt in der Sendung „Anne Will“ ihren Kurs in der Flüchtlingskrise. Alles, was sie tue, sei gut durchdacht. Montag, 29.02.2016; http://www.spiegel.de/politik/deutschland/angela-merkel-bei-anne-will-a-1079763.html.

Siehe auch: Merkel: „Das ist nicht mein Europa“. 12.02.2016. Die deutsche Kanzlerin kritisiert Alleingänge wie jene Österreichs; https://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/4935523/Merkel_Das-ist-nicht-mein-Europa. (Hervorhebung RS).

*10) Spiegel-Interview mit Bundeskanzler Helmut Schmidt (28. April 1975). Veröffentlicht im Rahmen des Themenschwerpunkts „Europäische Geschichte – Geschlechtergeschichte“; https://www.europa.clio-online.de/quelle/id/artikel-3694.

Hier zeigt sich, wie eingehend Bundeskanzler Helmut Schmidt gerade auch „Wenn-dann-Fragen“ beantwortet. Zu seiner zukunftsweisenden Politik sei nur auf das gemeinsam mit Frankreichs Staatspräsident Giscard d´Estaing entwickelte „Europäische Währungssystem“ und das Dialogformat G 6 für internationale Politikkoordination verwiesen.