Wiedervorlage – Auszeichnung für Wladimir Putin!

Die Quadriga auf dem Brandenburger Tor hat vieles gesehen und hält für manches her.

Wir verdanken nicht zuletzt Russland, wo Kaiser Napoleon I. unterging, dass Feldmarschall Blücher sie aus Paris zurück holen konnte. Leider verwandelte dies Schadows Friedensgöttin in eine Siegesgöttin. Deutschlands Weg in die Aufgeblasenheit begann.

Heutige Spielarten der Aufgeblasenheit treiben das Bedürfnis, bedeutenden Persönlichkeiten Preise anzudienen. Gerade dann, wenn solche Einrichtungen sonst nicht viel zu bieten haben. Dies zu tarnen, zieren sie sich gern mit dem Begriff der „Werkstatt“.

So scheiterte die vertretbare Idee, Ministerpräsident Putin mit dem Quadriga-Preis zu ehren, an Protesten und einigen bekannten Jury-Mitgliedern. Ein Herr ließ zunächst verlauten, er habe nicht zugestimmt, dann, er habe sich enthalten, schließlich gab er Fersengeld: Cem Özdemir. Eine Dame, lt. RP online vom 12.7.2011 mit ihrer Dissertation von 1987 befasst, betonte, sie hätte dagegen gestimmt. Hätte … hätte sie es denn für nötig gehalten, zum Termin der Wahl des Preisträgers zu erscheinen: Dr. Margarita Mathiopoulos.

Niemand ist verpflichtet, Herrn Putin einen Preis zu verleihen oder dieser Entscheidung zu applaudieren. Aber das Quadriga-Fiasko hat Lächerlichkeit auf das Deutschlandbild vieler Russen geworfen. Feigheit und Inkonsequenz – ein angemessenes Urteil des Präsidenten Medwedew bei seinem Berlin-Besuch. Dazu einige Überlegungen mit Hilfe von Sachkennern.

1. Russland – deutsche Bringschuld.

Die russländischen Völker verdanken deutscher Verbrecherpolitik im 20. Jahrhundert zwei Vernichtungskriege, eine bolschewistische Revolution mit ihren Folgen, dreißig Millionen Tote, unbeschreibliche Verwüstung ihres Landes und die Zerstörung demokratischer Entwicklungsmöglichkeiten bis in die 1970er Jahre.

Dies mögen Deutsche bedenken, bevor sie im Gefolge des Quadriga-Skandals Russen über Menschenrechte und Demokratie belehren. Das heißt nicht, solche Fragen aus Dialogen auszublenden. Russland ist schließlich wie Deutschland Mitglied der UN und des Europarats. Aber Deutsche sollten solche Gespräche mit Respekt und aus der Einsicht führen, dass ihnen die Demokratie nach 1945 aufgezwungen werden musste.

Deshalb sollten sich Deutsche dem Gedanken öffnen, den heute erreichten Stand deutsch-russischer Beziehungen ehrenvoll zu würdigen. Aus der Einsicht historischer Bringschuld.

2. Russland – deutsche Holschuld.

Der Osteuropaforscher Professor Karl Schlögel kann uns helfen, Russland und seine Menschen zu verstehen. Menschen, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor zwanzig Jahren die Hölle erlebten. Während uns die Wiedervereinigung zufiel. Karl Schlögels Worte sollten uns aufrütteln:

„Warum wissen wir fast alles über die Mafia und die kriminelle Szene … nichts aber über die Strategien des Überlebens und sich Durchwurstelns, die Abermillionen im Lande bisher die Gewissheit gaben: Es wird weitergehen, wir werden auch diesen Winter noch durchstehen, wir sind nicht mehr abhängig davon, ob der Staat funktioniert oder nicht. Man blickt immer wieder mit Verachtung auf die Subsistenzökonomie auf den Datschen und auf dem Land – aber ohne sie wäre es längst zu der Hungersnot und dem großen Knall gekommen, der immer wieder prognostiziert worden ist …“ (Schlögel, Karl; Die Mitte liegt ostwärts; München, Wien 2002; S. 143).

Zur Lage nach dem Ende der Sowjetunion sagt Professor Schlögel: „Russland muss die Probleme, die nach menschlichem Ermessen unlösbar sind, selber lösen. Wie soll man einer Armee, die Elite war, einen Weg ins zivile Leben bauen? Was geschieht mit Millionen Repatrianten, für die es keine organisierten Flüchtlings- und Aussiedlungsprogramme gibt? Was geschieht mit den Unternehmen, die als staatliche Großkombinate aufgebaut worden sind  und die niemals als ganze – von ihrer Größe her – privatisiert werden können, an denen aber die Lebensfähigkeit ganzer Städte und Regionen hängen?“ (A.a.O., S. 148).

3. Russland stabilisiert – Wladimir Putins Leistung.

Wie sollten die Probleme gelöst werden, vor denen Russland stand, als es unter Präsident Boris Jelzin in die „Demokratie“ und „Marktwirtschaft“ mehr gestoßen als geführt wurde? Noch einmal Karl Schlögel: „Probleme, die nach menschlichem Ermessen unlösbar sind“, ein Land vor „der Hungersnot und dem großen Knall“! Das heißt vor einem Bürgerkrieg!

Und wer sollte die Probleme lösen? Erinnerung an den Vortrag des Wirtschaftsministers und stellvertretenden Ministerpräsidenten Jegor Gaidar Anfang der 1990er Jahre in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn! Das Publikum hatte erwartet, dass die Probleme Russlands benannt und Lösungsansätze dargelegt würden. Der Regierungsvertreter aus Moskau erregte jedoch Beklemmung. Ein Mann am Rande seiner Kräfte. Von der Sorge vor Bürgerkrieg, von den administrativen Krisen nach der „schocktherapeutischen“ Freigabe von „Märkten“ und „Preisen“ mit der Folge ruinöser Inflation überwältigt.

Da war die Wirkung westlicher Patentrezepte zu besichtigen. Wie sollte Russlands Transformation von der Plan- zur Marktwirtschaft gelingen? Professor Schlögel: „Wir wissen es im Unterschied zu vielen ausländischen Beratern und Kolumnisten nicht, die mehr wissen als diejenigen, die in Russland in Verantwortung sind. Aber das Plus der ratlosen Machthaber ist, dass sie, wenn sie stark sind, die Intelligenz und den Mut der Menschen mobilisieren können, deren Klugheit, Krisenfähigkeit und Überlebenswillen zusammengenommen allein Wege aus dem alten Zustand heraus finden können.“ (A.a.O., S. 148).

„Wenn sie stark sind“ – wer wollte kritisieren, dass Wladimir Putin als stärkste Stütze des Präsidenten Boris Jelzin in den Zeiten existenzieller Krisen zum Ministerpräsidenten und zur Nachfolge in die Präsidentschaft berufen wurde? Wladimir Putin kommt entscheidendes Verdienst an der Stabilisierung und beginnenden Modernisierung Russlands zu. Sicher haben steigende Öl- und Gaspreise geholfen. Aber diese Chance hätten auch andere gern genutzt: Wirtschaftskriminelle, die den Raub von Staatseigentum durch politische Macht sichern wollten; Ultra-Nationalisten wie Schirinowski oder die Kommunisten unter Sjuganow. Was hätte Russland unter solchen Herren erwartet? Etwa 70 % der Wähler gaben Wladimir Putin ihr Vertrauen, Russlands Zukunft zu sichern.

Da verwundern jene Russlandkenner, „ausländische Berater und Kolumnisten“ (Schlögel), die in der Quadrigapreis-Pleite ihr Mütchen an Putin kühlen wollen. Sehen diese Experten nicht, was Europa und Deutschland erwartet hätte, wäre die russische Transformation gescheitert? Mit Blick auf das Morden unter Nachbarn, auf millionenfache Flucht und Vertreibung im ehemaligen Jugoslawien habe Hans Koschnick gesagt, dass Stabilität und Frieden im autoritären Jugoslawien Titos kein geringes Gut gewesen seien. Ist dies schon vergessen?

Dem Staatsmann Wladimir Putin ist eine historische stabilitäts- und friedenspolitische Leistung zu verdanken. Nicht nur in Russland, sondern gerade auch in Deutschland und Europa. Deshalb ist das Quadriga-Preis-Fiasko eine Schande!

4. Zivilgesellschaftliche Partnerschaft – von Bundeskanzler Schröder und Präsident Putin entwickelt.

Gemessen an kritischen Bemerkungen Professor Schlögels, haben beide Staatsmänner der deutsch-russischen Partnerschaft einen historischen qualitativen Durchbruch ermöglicht: durch die Gründung des Petersburger zivilgesellschaftlichen Dialogs im Jahre 2001!

Professor Schlögel hatte Defizite genau auf diesem Feld der Sicht auf Russland festgestellt: „Immerzu wird die Abwesenheit des zivilen Russland … beklagt, wer aber sieht endlich, welche ungeheuer reiche und vielfältige Selbsttätigkeit und Selbstorganisation darin steckt, dass Millionen von Bürgern ihr Leben inzwischen selbst in die Hand genommen haben … Das kommt in unseren Rechnungen, die mit unseren und also falschen Größen arbeiten, nicht vor. Beispiele…: die Dekanin des mathematischen Instituts, die zur Wochenend-Bäuerin geworden ist und trotzdem ihr Institut auf neue Grundlagen stellt … ; der Chefarzt, der die Landwirtschaft reorganisiert; der Ökonom, der den regionalen Tourismus entwickelt; die Basare, die das Land neu vernetzt haben.“ (A.a.O., S. 143).

Mit dem jährlich stattfindenden Petersburger Dialog haben Gerhard Schröder und Wladimir Putin ein Forum für die Kultur der „Selbsttätigkeit und Selbstorganisation“ (Schlögel) geschaffen. Dieser zivilgesellschaftliche Erfahrungsaustausch steht im Dienst der deutsch-russischen Modernisierungspartnerschaft.

In seiner weitgehend in deutscher Sprache vorgetragenen Rede im Deutschen Bundestag am 25. September 2001 hatte Präsident Putin diese kulturelle Verbundenheit beider Länder betont. Ihre Partnerschaft nicht nur für Interessen wie Sicherheit und Wirtschaft, sondern auch für gemeinsame Werte, „den Geist der Freiheit und des Humanismus, für den Lessing und Wilhelm von Humboldt den Grundstein gelegt haben … Kultur hat nie Grenzen gekannt. Kultur war immer unser gemeinsames Gut und hat die Völker verbunden.“ Und der Präsident belegt den „Prioritäten- und Wertewandel“ im russischen Staat damit, „dass zum ersten Mal in der Geschichte Russlands die Ausbildungsausgaben die Verteidigungsausgaben übertreffen.“

Präsident Putin bekräftigt: „Der Kalte Krieg ist vorbei … Wir schlagen heute eine neue Seite in der Geschichte unserer bilateralen Beziehungen auf und wir leisten damit unseren gemeinsamen Beitrag zum Aufbau des europäischen Hauses.“ Ein großes Angebot an die Deutschen!

5. Deutsch-Russische Partnerschaft – erprobt und belastbar.

Dieser außenpolitische Durchbruch, Deutschlands internationale Politik für die Zukunft auf drei feste Säulen zu gründen – Europäische Union, transatlantische Beziehungen und die deutsch-russische Partnerschaft – ist (trotz der Konflikte z.B. mit den USA um die Irakpolitik) das wichtigste Erbe außenpolitischer Modernisierung der Regierung Schröder. Bundesaußenminister Steinmeier hatte dieses Erbe in seiner Rede auf der Münchener Sicherheitskonferenz am 5. Februar 2006 aufgegriffen: „Die Europäische Union, die USA und Russland sind füreinander unentbehrliche Partner geworden. Unentbehrlich deshalb, weil wir nur gemeinsam globale Probleme werden lösen können.“ (www.securityconference.de/… S. 2).

Spannungen in den Beziehungen zu Russland zu vermeiden, überstieg in jener Zeit nach der Jahrtausendwende die Möglichkeiten Europas und Deutschlands. Die Menschenrechtslage in Russland wurde aus tragischen Anlässen immer wieder kritisch hinterfragt. Die Transformation und Osterweiterung der NATO, zu schweigen von einigen gescheiterten Plänen Ukraine und Georgien betreffend, kollidierte mit Russlands Sicht seiner „geopolitischen Rolle“ in den Nachbarschaftsräumen.

Im Westen, vor allem in den USA, wuchs Kritik an Präsident Putins Staatsführung. 2008 schrieb die ehemalige Außenministerin Madeleine Albright über Präsident Putin (Time,12. Mai, 2008, S.34, Übersetzung RS): „Seine Vision von Russland ist die einer Großmacht alten europäischen Stils. Solche Mächte haben Einflusssphären, und sie unterdrücken weniger Mächtige. Im Innern pflegen sie nationale Traditionen, kollektiven Ruhm, aber nicht die Freiheit des Einzelnen … Putin … wird für die NATO Irritation, für Europa Spaltung und für den Westen insgesamt bedeuten, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren.“

Zuvor hatte Präsident Putin auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2007 seine Auffassung über solche Sichtweisen klar gestellt (www.securityconference.de../ S. 2, Übersetzung aus dem engl. Protokoll RS): „Russland – wir – werden ständig über Demokratie belehrt.“ Dies ausgerechnet durch die USA, die mit dem Anspruch „unipolarer“ Machtausübung „… ihre nationalen Grenzen in jeder Hinsicht überschreiten. Anderen Staaten nötigen sie offensichtlich wirtschaftliche, politische, kulturelle und bildungspolitische Vorgaben auf … Im Ergebnis fühlt sich niemand sicher. Ich möchte ausdrücklich betonen – niemand fühlt sich sicher! Denn niemand kann das internationale Recht noch als Schutzwall empfinden. Selbstverständlich fördert solche Politik einen Rüstungswettlauf.“

Aus diesen Worten sollte deutlich werden, dass es hier nicht um Drohungen eines autokratischen Konfrontationspolitikers geht. Vielmehr ist es ein Aufruf gegen von ihm wahrgenommene „unipolare“ Machtwillkür amerikanischer Außenpolitik. Der implizite Vorwurf gegen amerikanische Heuchelei mag die Stimmung in München eingetrübt haben. Aber den Verzicht auf „exzessive Höflichkeit“ hatte er – für nervenschwächere Zuhörer vielleicht – zu Beginn seiner bemerkenswert deutlichen Rede angekündigt.

Ein Jahr später nahm Michail Gorbatschow bei mehreren Vorträgen in Deutschland den Aspekt westlicher Heuchelei in der Kritik gegenüber Präsident Putin aufs Korn: Der „Demokrat Jelzin“ würde gegenüber dem „Autokraten Putin“ glorifiziert. Das sei paradox, betrachte man das Erbe Jelzins: „… Diese Wirtschaft – das war schon kein Staat mehr – dieses ganze Chaos fiel Wladimir Putin als Erbe zu … Wir haben Stabilität, wir haben der Verfassung wieder Geltung verschafft. In keiner einzigen Region wurde die Verfassung noch beachtet. Führen Sie sich diese Situation einmal vor Augen, und dann können wir darüber sprechen, ob Ihre Belehrungen uns gegenüber gerechtfertigt sind. Wir sind dabei, das Chaos zu beseitigen. Machen Sie das einmal in fünf Jahren.“ (Schulze, Peter W., Die russische Föderation, S. 69, in: Schneider-Deters, Schulze, Timmermann, Hrsg., Die Europäische Union, Russland und Eurasien, mit einem Geleitwort von Egon Bahr; Berlin 2008).

Wladimir Putin hat für Russland Perspektiven für Modernisierung, Sicherheit und Entwicklung geschaffen. Durch ein System „gelenkter Demokratie“, in dem „die politischen Parteien, die Massenmedien und das Parlament in die ´Vertikale` fest integriert sind. Die umfassende Steuerung der Vertikale erfolgte durch den Präsidenten und seine Administration.“ So die Russland-Forscherin Professor Margareta Mommsen, die eine durch Wahlergebnisse und Umfragen gestützte Akzeptanz von 70 – 80 % der russischen Wähler für dieses System der Reform „von oben“ konstatiert. (Mommsen, Margareta, Russlands gelenkte Demokratie, Stimmen der Zeit, 5/2009, S. 312 f.).

Ein Jahrzehnt nach der Gründung des Petersburger Dialogs durch Wladimir Putin und Gerhard Schröder konnten Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Medwedew die Rolle dieses zivilgesellschaftlichen Forums bekräftigen. Die Bundeskanzlerin ermutigte die Teilnehmer „ein von den Regierungen unabhängiges Selbstverständnis zu entwickeln und die offenen Diskussionen weiter zu entwickeln … Lieber einmal richtig gestritten, als irgendetwas unter den Tisch gekehrt!“ Dies, so die Kanzlerin, sei der beste Weg, für Probleme auch Lösungen zu finden. Präsident Medwedew bescheinigte dem Petersburger Dialog, als „Labor für Ideen der Zivilgesellschaft zu dienen.“ (www.dw-world.de, Merkel und Medwedew …,19.7.2011).

Wenn der Petersburger Dialog von Vertretern beider Zivilgesellschaften nach 10 Jahren „gelenkter Demokratie“ in Russland solche Perspektiven zeigt – sollte dann nicht sein russischer Gründer durch Deutschland angemessen gewürdigt werden können?

Eine hohe Auszeichnung aus Deutschland für Wladimir Putin – Wiedervorlage!