YASunidos

dieser Name einer großen ecuadorianischen Organisation junger Bürger ist Programm: gegen den „Fluch“ der Rohstoffwirtschaft, des „extractivismo“ *1).

Ziel der YASunidos ist, die biologische Vielfalt des 1979 von der Regierung Ecuadors ausgewiesenen Nationalparks Yasuní vor der Erdölförderung zu schützen. Das Regenwaldgebiet Yasuní in der Amazonas-Region wurde von der UNESCO 1989 zum Biosphärenreservat erklärt. Es umfasst rd. 10 Tausend Quadratkilometer. *2)

Damit ist eine 5 Tausend Quadratkilometer große „Kernzone“ des Biosphärenreservats dem „Naturschutz“ vorbehalten. Eine „Pflegezone“ schützt die „Landschaft“ und eine „Entwicklungszone“ soll „nachhaltige Bewirtschaftung“ durch die dort heimischen „indigenen“ Bevölkerungsgruppen ermöglichen. Durch Bildungs- und Forschungsprogramme sind die mit dem Biosphärenreservat-Status verbundenen Ziele zu überwachen und zu evaluieren.

Die YASunidos haben 750 Tausend Unterschriften gesammelt, um ein Referendum gegen die Erdölförderung im Yasuní zu erreichen.

Dieses basisdemokratische Engagement der YASunidos für Menschenrechte und den Schutz der Umwelt hat zu ihrer an sich schon ehrenvollen Nominierung für den Menschenrechtspreis geführt, den das Niederländische Außenministerium jährlich vergibt: „The Human Rights Tulip“. Bis Freitag, 10. Oktober 2014, kann zwischen 30 Kandidaten öffentlich gewählt und abgestimmt werden. *3)

Ich habe meine Stimme den YASunidos gegeben. Beeindruckt von dem Mut, mit dem sich diese Bewegung ecuadorianischer Jugend demokratisch für ihre Ziele – „building democracy from the bottom up“ – einsetzt. Kriminalisiert, bedroht und verfolgt von dem zunehmend autoritär regierenden Präsidenten Rafael Correa.

Jugend gegen Caudillo-Allüren eines Staatspräsidenten?

Präsident Correa ist ein international hochqualifizierter Ökonomieprofessor. Seit Anfang 2007 Präsident, regiert Correa in nunmehr dritter Amtszeit bis 2017. Sein bleibendes Verdienst ist, dass er in dem von mächtigen wirtschaftlichen Familienclans beherrschten Land „die umfassendste Umverteilung des Einkommens in der ecuadorianischen Geschichte förderte“. *4)

Der SPIEGEL bilanziert: „Correa hat den Mindestlohn angehoben, 7000 Kilometer neue Straßen gebaut und den Etat für Gesundheit und Bildung verdreifacht, überall im Land sind neue Schulen und Krankenhäuser entstanden. Die Hauptstadt Quito soll erstmals eine U-Bahn erhalten. Einmal monatlich schüttet die Regierung einen „Entwicklungsbonus“ an die Armen aus, gerade wurde er von 35 auf 50 Dollar erhöht, eine erkleckliche Summe in einem der eher ärmeren Länder Lateinamerikas.“ *5)

Für diese politische Leistung braucht Präsident Rafael Correa Geld. Die NZZ analysiert: „Er hat dafür gesorgt, dass die einheimischen Firmen Steuern zahlen, und er hat den ausländischen Erdölkonzernen höhere Abgaben aufgezwungen. Zwar haben westliche Konzerne das Land verlassen, aber es kamen chinesische. Vorläufig geht die Rechnung auf … Dazu setzt er auf Propaganda: Er hat bereits ein grosses staatliches Mediensystem aufgebaut, und anscheinend will er nun auch die privaten Medien per Gesetz unter Staatsaufsicht stellen. Das ist Correas grosser Schwachpunkt: Auf Kritik reagiert er allergisch. Er ist völlig überzeugt, das einzig richtige Konzept für sein Land zu besitzen. Dabei müsste er wissen, dass es kein Wahrheitsmonopol geben kann. Wo die freie Diskussion unter Bürgern verhindert wird, gerät die Revolution in Erstarrung.“ *6)

Präsident Correa, seine Politik für Stabilität, Wohlstand, Hilfsprogramme für die Armen, Schutz der natürlichen Ressourcen und Bürgerbeteiligung gegen die traditionelle Oligarchie – Präsident Correa braucht Geld für dieses „proyecto político“.

Die von Präsident Correa Mitte 2007 vorgeschlagene „Yasuní-ITT“-Initiative zur Beschaffung von Entwicklungs-Fonds war 2013 gescheitert. Dabei ging es um den Plan, dass Ecuador auf die Förderung von Erdöl in der Region „Yasuní-Ishpingo-Tambococha-Tiputini“ dauerhaft verzichtet, wenn die internationale Gemeinschaft eine Kompensationszahlung von mindestens US-$ 3,6 Mrd. in Treuhandfonds leiste.

Dieser Plan fand enthusiastische Unterstützung bei allen GRÜNEN dieser Welt und weit darüber hinaus. Zumal der Plan an eine Idee deutscher Intellektueller aus den 1970er Jahren – „Grenzen des Wachstums“ – erinnerte.

Nun – in Ecuador seit 2008 mit Verfassungsrang – ist dieser ähnliche Grundgedanke in das Konzept des „Buen Vivir“, des „Guten Lebens“, gefasst. „Buen Vivir“ oder in der Quechua-Sprache der Indios „Sumak Kawsay“ sei am „Gemeinwohl“ orientiert, stelle eine partizipative soziale Revolution gegen die bestehenden Schemata des Wachstums, des Energiekonsums und eines Lebensstils, der die Umwelt zerstört. Und „Buen Vivir“ richte sich gegen ein tradiertes System, das allein darauf setzte, die Natur, die natürlichen Ressourcen und nicht zuletzt die Menschen durch Gier, Korruption und brutale Machtpolitik auszuplündern.

Eine neue Wirtschafts- und Sozialordnung solle „Rechte des guten Lebens“ festschreiben – sauberes Wasser, gesunde Ernährung, Recht auf Arbeit, Bildung, Information und Kommunikation. Wer eine Vorstellung von der Armut in Andenländern hat, wird dieses politische Denken angesichts dortiger horrender sozialer Unterschiede begrüßen. Vor allem, wenn dieses Denken sich in „Guter Regierungsführung“ niederschlägt. *7)

Der einflussreiche ecuadorianische Politiker und Wissenschaftler Professor Alberto Acosta ist führender Vertreter dieser neuen Denkweise. Ihm kommt auch eine maßgebende Rolle in der Verfassungsreform von 2008 zu.

Acosta plädiert für einen „neuen Typ produktiver Spezialisierung“ und eine neue, umfassende ordnungspolitische „Alternative zur Entwicklung“, durch die reiner Rohstoff-Export zunehmend unwichtig für die Wirtschaft eines Landes werde. Damit könne – so argumentiert Acosta – „die Überbewertung der Profite“ aus Plünderung der Natur und die „Unterbewertung der menschlichen Arbeitskraft und Anstrengung“ überwunden werden. Und damit auch die destruktive Wirkung des herkömmlichen „extractivismo“ auf Umwelt, Biodiversität, gemeinschaftliche Strukturen. Die reine Extraktionswirtschaft schwäche die Inlandsmärkte, steigere die skandalöse Vermögenskonzentration und soziale Ungleichheit in Ländern wie Ecuador.

Der Pfad zu einer für Natur und Menschen positiven „Post-Entwicklungs-Option“ – wie „buen vivir oder sumak kawsay“ – lasse sich mit den herkömmlichen, auf reinen Primärgüterexport setzenden „Entwicklungsalternativen“ nicht erreichen. *7)

Damit sich Bürger in reichen Ländern die Zustände in armen Ländern wie Ecuador, die vom Export ihrer Rohstoffe leben, vorstellen können, genügt bereits ein Blick in das „Mal Vivir“, wie es „The Economist“ beschreibt: „In der Wild West Atmosphäre Ecuadors 1970 lud eine Militärregierung Texaco – ein amerikanisches Energieunternehmen – ein, in der Amazonas-Region nach Erdöl zu bohren. Die Gringos leiteten ölvergiftetes Wasser in die Flüsse und hinterließen ein Land voller erdölgefüllter Senken – ein Land wie von Pockennarben zerstückelt. Über Jahre hin sah die Regierung weg, um über 90 % der Erträge einzustecken. Als die Regierung jedoch schließlich Texaco aufforderte, die Petroleum-Senken zu versiegeln und zu säubern, verweigerte die Firma die lumpige Ausgabe von $ 4 Mio., die eine Sanierung gekostet hätte. 1992 übergab Texaco seine Ölfelder an Petroecuador, die staatliche Ölgesellschaft. … (Der Autor Paul Barrett) macht Texaco für schmutziges Bohren (dirty drilling) verantwortlich, ebenso die staatliche Petroecuador, die ebenfalls auf Jahre hinaus diese Praktiken fortsetzte.“ *8)

Diese Bilanz des „Mal Vivir“ vorausgeschickt, ist David Hill beizupflichten, wenn er zur Reaktion der internationalen Gemeinschaft auf Präsident Correas „Yasuní-ITT“-Initiative bemerkt: „Die Tatsache, dass nur US-$ 13.3 Mio. für die beiden Treuhandfonds gespendet wurden, zeigt eine jämmerliche und .. skandalöse internationale Reaktion.“ *9) Dies Urteil könnte schon deshalb geteilt werden, als zu fragen wäre, warum nicht unter Schirmherrschaft der EU und mit deutscher entwicklungspolitischer Unterstützung eine öffentliche Geberkonferenz mit der Regierung Ecuadors einberufen und nach einer Alternative für das nicht unberechtigte Anliegen Ecuadors gesucht wurde.

Allerdings klingt Präsident Correas Reaktion „Die Welt hat uns im Stich gelassen“ *9) für einen so formidablen Ökonomen und Machtmenschen zu pathetisch, um restlos glaubwürdig zu sein.

Und es wundert nicht, dass Experten zu einer skeptischen Einschätzung der „Yasuní-ITT“- Initiative kamen: Ecuador bediente in der Krise 2008-2009 seine Staatsschulden nicht, entmutigte so seine Kreditgeber, machte sich von China als Gläubiger abhängig, das Rückzahlung partiell gegen Erdöl verlangt habe und seine Staatsunternehmen in der ITT-Förderregion arbeiten ließ. *9)

Wie ernst gemeint also war von vornherein Correas Vorschlag, ein vergleichsweise armes Land gegen Zahlung von 3,6 Mrd. $ auf den Verzicht zu verpflichten, Erdöl in der ITT-Region zu fördern?

Diese skeptische Frage David Hills mögen sich viele Verantwortliche gestellt haben. Zumal Correa häufig den „Plan B“ erwähnt habe, die ITT-Felder auszubeuten, sollte sein Vorschlag nicht akzeptiert werden. Hill folgert aus weiteren Zuteilungen von Fördergebieten, widersprüchlichen „amtlichen“ Untersuchungen über die Existenz indigener Gruppen in diesem oder jenem zur Exploration oder Bohrung frei gegebenen Gebiet sowie Aktivitäten wie Straßenbau: „Kein Wunder, dass viele potentielle Geber nie überzeugt waren.“ *9)

Dies Urteil ändert jedoch nichts an der Notwendigkeit der von Professor Acosta geforderten „sozialen Unterstützung“ für eine politisch und zivilgesellschaftlich im Konsens „geplante Zurückführung der Extraktionswirtschaft“ (*7), S. 80), des reinen Primärgüterexports von der Peripherie in die weltwirtschaftlichen Zentren.

Hier ist etwas ausführlich begründet worden, weshalb es sinnvoll ist, die YASunidos-Bewegung in Ecuador in ihren Zielen zu unterstützen. Eine Bewegung der Jugend Ecuadors, die sich nun mutig gegen einen Präsidenten Correa auflehnt, der seine frühere Rhetorik zu vergessen scheint. Der nun die Erdöl-Förderung im Yasuní-Gebiet erlaubt.

Ein Präsident, der darüber hinaus anscheinend die Verfassung von 2008 ändern lassen will. Diese Verfassung hat aus weiser Einsicht in die ecuadorianische Caudillo-Geschichte einem Präsidenten nur zwei Amtszeiten bewilligt. Zudem soll Correa selbst bereits von einer erneuten Kandidatur 2017 gesprochen haben. Jetzt sind Änderungen der Verfassung im Gespräch, die dem Präsidenten unbegrenzte Amtszeiten ermöglichen. *10)

YASunidos-Jugend gegen Caudillo-Allüren und Machtpolitik eines Präsidenten „mit Hang zur Egomanie“? *5)

Sicher ist mit dem YASunidos-Protest ein Anlass und ein wertvoller Partner für die Förderung der Demokratie in Ecuador gegeben!

Als weiteren Beitrag Deutschlands sollten die Bürger ein starkes Engagement im Rahmen der EU-USA-TTIP-Verhandlungen erwarten. Zu den Themen Rohstoffwirtschaft, zum internationalen Handel mit agrarischen, mineralischen und fossilen Rohstoffen. Zu verantwortlichem und von den Regierungen überwachtem Gebaren amerikanischer und europäischer Unternehmen in Entwicklungsländern. Für einen transparent kontrollierten Verhaltenskodex dieser Unternehmen.

Gerade weil Deutschland zu den weltweit führenden Rohstoffimporteuren zählt, sollte es die großen Chancen nutzen, durch TTIP den globalen Handel gerechter zu organisieren. Die dafür notwendigen Instrumente des TTIP-Projekts scheinen jedoch über der endlos banalen Debatte zu Chlorhühnchen, Genmais und Hollywood-Schund in den Hintergrund zu treten.

Nicht unsere weitestgehend bereits in die Verhandlungsagenda eingearbeiteten Ängste als Konsumenten, sondern die Perspektiven globaler Gestaltung, die wir gerade unseren ärmeren Handelspartnern schulden, sollten nunmehr die TTIP-Debatte bestimmen.

*1) Almuerzo con… Alberto Acosta „Es más fácil sacar petróleo que hacer pagar a los ricos“, Juana Viúdez, 17 DIC 2013, htttp://sociedad.elpais.com/sociedad/2013/12/17/actualidad/.

*2) Wikipedia, Artikel „Nationalpark Yasuní“ und „Biosphärenreservat“.

*3) http://www.humanrightstulip.nl/candidates-and-voting.

*4) Can Rafael Correa deliver his citizens‘ revolution for Ecuador? Boaventura de Sousa Santos. The Guardian, Thursday 29 May 2014. (Übertr. RS).

*5) Präsident Rafael Correa. Der Ehrgeizling von Ecuador. Von Jens Glüsing. SPIEGEL ONLINE, 16. Februar 2013.

*6) Präsident Correa wiedergewählt. «Bürgerrevolution» und Wahrheit. 19.02.2013; http://www.nzz.ch/meinung/.

*7) Alberto Acosta, in: Beyond Development. Alternative Visions from Latin America. Permanent Working Group on Alternatives to Development. First translated edited edition: Transnational Institute / Rosa Luxemburg Foundation. August 2013. Originally printed in Spanish ‚Mas alla del desarrollo‘ by Fundación Rosa Luxemburg/Abya Yala Ediciones in November 2011; S. 61 ff. und S. 79 – 82. (Übertr. RS).

*8) The Economist, Oil in Ecuador. Murky truth. A story of oil, fraud and a $19 billion award for damages, Sep 27th 2014, S. 78. (Übertr. RS).

*9) Why Ecuador’s president is misleading the world on Yasuni-ITT. Posted by David Hill, Tuesday 15 October 2013; http://www.theguardian.com/environment/andes-to-the-amazon/2013/oct/15/ecuador-president-misleading-yasuni. (Übertr. RS).

*10) Ecuadors Parlament will unbegrenzte Amtszeit für Präsidenten; 27. Juni 2014, http://derstandard.at.