Zwei transatlantische Meldungen!

Der für enge transatlantische Beziehungen eintretende Bürger kann heute über zwei aktuellen Pressemeldungen ins Grübeln geraten.

Ungetrübte Freude mag bei der Lektüre dieser beiden Nachrichten nicht aufkommen, sie lassen sich unter positiven und negativen Aspekten deuten.

Die anscheinend gute Nachricht zuerst: Peer Steinbrück, MdB, soll als Nachfolger von Hans-Ulrich Klose Vorsitzender der Parlamentariergruppe USA des Deutschen Bundestags werden.

Herr Steinbrück bringt in diese Aufgabe herausragenden Sachverstand auf dem Gebiet der internationalen Wirtschafts-, Finanz- und Währungsbeziehungen ein. Seine Bereitschaft, diese Aufgabe zu übernehmen, ist eine gute Nachricht für die transatlantischen Beziehungen in dieser kritischen Zeit.

Über diese gute Idee musste in der GroKo offenbar mehr als 109 Tage nachgedacht werden. Obwohl schon vor der Bundestagswahl am 22. September 2013 klar war, dass der um die Pflege der deutsch-amerikanischen Beziehungen hochverdiente Hans-Ulrich Klose dem neuen 18. Bundestag nicht mehr angehören würde.

Der Ältestenrat des Deutschen Bundestags beschließt zu Beginn (!) einer jeden Wahlperiode, wie die Parlamentariergruppen zusammengesetzt werden.

Sind die Parlamentarischen Beziehungen zu Amerika derzeit nicht so interessant für die Karriere jüngerer MdBs, dass sie sich drängten, um durch deutsch-amerikanische Parlamentariertreffen oder Fachveranstaltungen persönliche Kontakte mit USA-Parlamentariern langfristig aufzubauen und zu pflegen?

Herr Klose leitete diese sicher wichtigste aller Parlamentariergruppen über ein Jahrzehnt lang! Peer Steinbrück habe jedoch bereits das Ende seiner Tätigkeit als Politiker angekündigt, entnehmen wir Pressemitteilungen.

Nun wollen wir – zur Freude geneigt – diese Nachricht so interpretieren, dass Peer Steinbrück inzwischen seinen Ausstieg aus der Politik überdacht und zurückgenommen hat. Und die parlamentarischen Kontakte zu Amerika für das nächste Jahrzehnt gestalten wird.

Denn Peer Steinbrück hat hinreichend bewiesen, dass er für seine Aufgaben nicht nur Sachverstand, sondern auch den notwendigen langen Atem mitbringt.

Eine scheinbar außergewöhnliche politische Kurzatmigkeit könnte bei einem geschätzten, vielversprechenden jüngeren Politiker vermutet werden: bei Philipp Mißfelder, MdB der CDU aus NRW, Vorsitzender der Jungen Union.

Nach drei Monaten bereits schmeißt der 34-Jährige Mißfelder die ehrenvolle Aufgabe des Koordinators für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt (AA). Diese Verantwortung, die vor Herrn Mißfelder Hans-Ulrich Klose zusätzlich zur Parlamentariergruppe USA wahrgenommen hatte, ist seit 1981 „Zeichen des besonders hohen Stellenwerts, den die Bundesregierung den transatlantischen Beziehungen beimisst.“ (AA).

An Problemen mit dem Koalitionspartner SPD kann Mißfelders Rücktritt auf gar keinen Fall liegen.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zeigt transatlantische Führungskraft. Durch seinen Einsatz für die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) und gegen die Kampagnen von Gewerkschaften (z.B. IGM-Chef Wetzel) sowie von Verbraucherschutz- oder Umweltverbänden. Deren Verständnis reicht wohl nicht für ein fundiertes fachliches Urteil über dieses große Zukunftsprojekt für die deutsche Wirtschaft. Reden wir gar nicht erst von linken Kreisen in der SPD.

„Die beiden größten Handelsräume der Welt könnten mit ihrem Abkommen Maßstäbe setzen und zum Hebel einer politischen Gestaltung der Globalisierung werden. Außerdem könnten gerade Mittelständler profitieren, wenn schwer zu durchschauende Regeln zur Festigkeit von Blechen und ähnliches ihnen nicht länger den Zugang zum amerikanischen Markt versperren“, analysiert Wirtschaftsminister Gabriel. *1)

Eine Aufgabe in dem von Herrn Steinmeier geführten Auswärtigen Amt ist auch für einen aufstrebenden jungen Politiker wie Herrn Mißfelder eine Auszeichnung und Chance, sich politisches Profil zu erarbeiten. Auch in der Auswärtigen Politik ist kein Konflikt erkennbar, der Mißfelders Rücktritt erklären könnte.

Nein, Herr Mißfelder gibt einen anderen Grund an: Er wolle sich am 26. April zum Schatzmeister der NRW-CDU wählen lassen. „Ich halte das Parteiamt eines Landesschatzmeisters für unvereinbar mit der Aufgabe als Amerikabeauftragter im Auswärtigen Amt – ich möchte eine stärkere Anbindung an meinen Heimatverband in Nordrhein-Westfalen und konzentriere mich darauf.“ *2)

Dies erscheint als Begründung für einen bekannten Multi-Funktionsträger zunächst erstaunlich.

MdB Mißfelder wirkt nämlich „als „strategischer Berater“ des Kunstbuch-Verlags teNeues, wofür (er) mehr als 100.000 Euro pro Jahr verdient.“ *3) Er ist Vorsitzender der Jungen Union. Er ist Mitglied folgender wichtiger Einrichtungen: Bundesverband Deutscher Stiftungen e.V., Berlin; Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., St. Augustin; Koordinierungsrat deutscher Nicht-Regierungsorganisationen gegen Antisemitismus e.V., Berlin; Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bonn; ordentliches Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, Deutscher Bundestag; Außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU – Bundestagsfraktion; Mitglied im Exekutivausschuss des Präsidiums der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP); Mitglied im Stiftungsrat der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP); Mitglied im steering committee der Königswinter Conference der German-British Society; Mitglied im Vorstand der Atlantik-Brücke e.V.; Mitbegründer der Kurdisch-Deutschen Freundschaftsgruppe; Mitglied im Deutsch-Chinesischen Dialogforum; Mitglied der Deutsch-Indonesischen Beratergruppe; Bezirksvorsitzender der MIT Ruhr (Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU NRW); Mitglied im Präsidium der CDU Deutschlands und stellvertretendes Mitglied im Vorstand der Europäischen Volkspartei (EVP); Leitung des Initiativkreises ´Zusammenhalt der Generationen` der CDU Deutschlands gemeinsam mit dem Bundesvorsitzenden der Senioren-Union, Professor Dr. Otto Wulff. *4)

Hoffentlich habe ich den Fleiß Herrn Mißfelders nicht durch Versäumnisse in dieser Aufzählung seiner Aktivitäten zu gering erachtet. ***)

Und dennoch schmeißt er die erste wirklich bedeutende außenpolitische Aufgabe, die ihm anvertraut wurde, bereits nach drei Monaten weg.

Warum? Um als Schatzmeister der NRW-CDU Nachfolger einer ebenfalls jüngeren, hochqualifizierten Juristin und Wirtschaftsexpertin, Frau Andrea Verpoorten (keine finanzielle Beziehung zu der Firma Verpoorten) zu werden. Frau Verpoorten hatte in der – durch Herrn Röttgens Absicherungsdrang als Bundesminister – für die CDU versiebten NRW-Wahl 2012 den nicht über Landesliste abgesicherten Wahlkreis Köln-Süd verloren. Das Ergebnis der angesehenen Frau Verpoorten lag mit rd. 28 Prozent immerhin zehn Punkte über dem desaströsen CDU-Zweitstimmen-Ergebnis.

Zermürbt durch einen intriganten „kölschen Klüngel“ gab Frau Verpoorten auf, um sich nun ihrem Beruf zu widmen. *5) Eine politische Karriere gegen den Willen des CDU-Granden „Richard Blömer, .. Strippenzieher hinter den Kulissen, den auch äußerst unappetitliche Parteispendenaffären nicht aus dem Ring geworfen haben“, bedarf offenbar besonderer politischer Qualitäten. Frau Verpoortens Nachteil: „Sie gehört zu keiner der berüchtigten Klüngelrunden“ in der Domstadt Köln. *5)

In diesem NRW/Köln-Intrigantenstadel gilt also Philipp Mißfelder – mit dem „politischen Händchen“ – als der richtige Mann am richtigen Platz? Dafür also gibt er nach nur drei Monaten eine bedeutende außenpolitische Position auf?

Scheinbar eine politische Kurzatmigkeit, die gerade bei einem gelernten Historiker erstaunt. Vor allem bei einem Historiker, der seine Magisterarbeit über Maximilian Harden (1861 – 1927) geschrieben hat.

Maximilian Harden – Sohn eines jüdischen Seidenhändlers in Berlin – musste wohl wegen geschäftlicher Pläne des Vaters und auf dessen Drängen mit zwölf Jahren das Französische Gymnasium in Berlin verlassen.

Trotzdem baute sich Harden beharrlich eine Laufbahn als Schauspieler, Theaterkritiker, politischer Journalist und einflussreicher Publizist auf. Als Kämpfer gegen Nationalismus und Militarismus zahlte Maximilian Harden einen hohen Preis. 1922 überlebte er ein Attentat rechtsradikaler Mörder nur knapp mit schweren Kopfverletzungen. Harden verließ Deutschland und lebte bis zu seinem Tode in der Schweiz.

Wir blicken bewundernd auf diesen Lebensweg eines Menschen mit ungewöhnlicher Zielstrebigkeit im Einsatz für seine Überzeugungen, den Weg eines Menschen mit ausgeprägt „langem Atem“! (s. Wikipedia, Maximilian Harden).

Mißfelders Arbeit für die Erinnerung an Maximilian Harden verdient Anerkennung.

Wählen wir deshalb eine positive Interpretation für Mißfelders Rückzug aus der transatlantischen Aufgabe im AA. Ähnlich wie für die Ernennung des 67-jährigen Peer Steinbrück zum Vorsitzenden der Parlamentariergruppe USA. „Always Look on the Bright Side of Life“.

Der 34-jährige Philipp Mißfelder opfert eine ehrenvolle Aufgabe für den notwendigen, harten politischen Kampf um Sauberkeit in der NRW-CDU. Er könnte es noch weit bringen!

*1) Weltwirtschaft. Gabriel im Freihandelsspagat. Von Henrike Rossbach; faz.net, 31.03.2014.

*2) DTS-Meldung vom 03.04.2014, 11:00 Uhr. Zeitung: Mißfelder überraschend als Amerika-Beauftragter der Regierung zurückgetreten.

*3) Nach nur drei Monaten. Mißfelder gibt Amt als Amerika-Beauftragter auf; faz.net 03.04.2014.

*4) http://www.philipp-missfelder.de/zur-person/

*5) Das neue Gesicht der NRW-CDU. Von Jürgen Zurheide. http://www.cicero.de/berliner-republik/das-neue-gesicht-der-nrw-cdu/51831/; 25. SEPTEMBER 2012.

***) Nachtrag 07. Mai 2014.

Leider fehlt in dieser Liste der Funktionen des Herrn Mißfelder, MdB, doch eine sogar besonders wichtige politische Aktivität: Vorstandsmitglied des Deutsch-Russischen Forums (DRF). Dank der Recherchen von Hans-Martin Tillack ist das bekannt geworden. Herr Mißfelder hatte dies auf seiner Website *4) nicht aufgeführt. Erst nachdem der Artikel im stern am 05.05.2014 erschien, holte er es nach (Putin-Versteher in der CDU. Mißfelders Moskau-Connection. Von Hans-Martin Tillack; 5. Mai 2014, 17:56 Uhr, www.stern.de/politik/).

Herrn Tillacks Informationen lassen durchaus engere Kontakte Mißfelders zu teils etwas berüchtigten Vertrauten Putins und zur deutsch-russischen Wirtschaftslobby vermuten.

Und einen Schwenk seiner außenpolitischen Interessen weg von Amerika hin zu Russland.

Das zeigt der Zeitablauf: am 18. März 2014 die von Mißfelder verschwiegene Wahl zum Vorstand des Deutsch-Russischen Forums (DRF) ab dem 1. April 2014. Kurz danach der zunächst unverständlich erscheinende Rücktritt von der bedeutenden Aufgabe des Koordinators für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt (AA).

Anbetrachts seiner Ämterfülle und im Rückblick auf die verschwiegene Wahl in den Vorstand des DRF kurz zuvor erscheint Mißfelders Begründung für diesen Rücktritt aus dem AA-Amt besonders unglaubwürdig: Belastung durch das kommende weitere Amt als CDU-Schatzmeister in NRW.

Der investigative Journalist Tillack stellt eine vielleicht enthüllende Frage zu Mißfelders Motiven: „Schielte er dabei auch auf mögliche Parteispender aus dem Russland-affinen Teil der deutschen Wirtschaft?“

Fragt mal Kenner russischer Interessenpolitik im Südamerika der 1980er Jahre! Der großen „Andenpakt-Zeit“ kommender Unionselite. Damals fragten die Russen ihre politische Klientel – wenn es um ´Förderung` ging – nicht etwa: Wofür? Sondern nur: Cuanto?

Wenn solche Anekdoten von den Andenpakt-Mentoren erzählt werden, dann kann ein vielversprechender junger CDU-Schatzmeister schon auf Abwege geraten …